Mittsommerzauber
für ihren Geburtstag macht. Vor einem Monat wollte sie noch nicht einmal etwas von einer ganz kleinen Feier im Familienkreis hören.«
Tatsächlich hatte es Viveca zeit ihres Lebens vermieden, ihre Geburtstage allzu groß zu feiern. Immer hatte sie eine Idee gehabt, die einen großen Aufmarsch von Gratulanten verhinderte. Mal wollte sie unbedingt in die Oper nach Salzburg, mal hatte sie eine kleine Hütte auf einer Südseeinsel gemietet, in die höchstens sechs Personen passten, mal wollte sie im Fesselballon über die Alpen schweben, mal auf einem Esel durch die Savennen reiten. Sven und sein Vater Max waren jedes Jahr wieder gespannt gewesen, was ihr einfallen würde. Und sie hatten jede ihrer Ideen klaglos mitgemacht. Und dabei, sie mussten es zugeben, auch immer viel Spaß gehabt. Seit dem Tod von Max Svanblom hatte es diese Exkursionen zur Vermeidung von Vivecas Geburtstagsfeier nicht mehr gegeben. Aber Viveca hatte auch keinen Ersatz zulassen wollen. So hatte Sven ihr zu den letzten Geburtstagen nichts als ein paar Blumen bringen dürfen. Nur ein kleines zartes Wickensträußchen, wie sie es liebte. Nichts anderes. Sie wollte sich nicht zum Essen einladen lassen. Wollte nicht auf sich anstoßen lassen. Sie wollte einfach nur, dass dieser Tag genauso vorüberging, wie alle anderen Tage ohne Max einfach nur vorübergehen sollten.
Umso mehr freute sich Sven nun, dass Viveca wirklich plante, ihren sechzigsten Geburtstag zu feiern. Es schien, als hätte der Kauf dieses Hauses sie wieder ins Leben zurückgeholt. Und Sven musste zugeben, dass dieses Haus etwas ganz Besonderes hatte. Es war nicht die geschmackvolle Einrichtung. Oder der atemberaubende Blick auf die Insellandschaft, es war etwas eigenartig anderes, das sofort jeden gefangen nahm, der das Haus sah.
Es war ihm am Tag vorher so ergangen, als er sich neben seiner Mutter zum ersten Mal dem Haus näherte, er hatte es am Morgen gespürt, als er aus dem Wasser kam und zum Haus hochsah. Vielleicht war es der Frieden, den das Haus ausstrahlte, diese Harmonie mit der Natur. Er konnte es nicht genau benennen. Aber er konnte den Spontankauf seiner Mutter inzwischen verstehen. Und wieso sollte sie ihren Geburtstag nicht hier feiern? An diesem wunderschönen Ort. Das musste Marita doch verstehen.
»Weißt du, ich kann mir eine Geburtstagsfeier hier wirklich gut vorstellen. Auf der Terrasse, unten am Steg, im Garten. Mit einer kleinen Band, natürlich mit hervorragendem Essen. Ich denke, das kann ganz schön werden.«
»Und wer, denkst du, soll für dieses hervorragende Essen sorgen? Ich meine, in Stockholm kennen wir jede Menge gute Caterings. Es wäre überhaupt kein Problem, Vivecas Geburtstag auszurichten. Aber hier...«
»Du hast Recht, Marita, es war eine blöde Idee.«
Viveca kam eilig ins Haus. Sie hatte Maritas letzten Satz noch gehört. Sven sah sie erschrocken an. Was war denn jetzt los? Seine Mutter war plötzlich blass, wirkte nervös und fahrig.
»Zieh dich endlich an, Sven. Wir fahren nach Stockholm zurück. Ich weiß überhaupt nicht, was ich mir dabei gedacht habe.«
»Wobei gedacht, Mama? Und wieso willst du jetzt plötzlich nach Stockholm?«
Er versuchte einen Scherz. »Ich habe noch nichts von Berits Erdbeermarmelade probiert.«
Vivecas Stimme klang enttäuscht. »Ich hatte das ganze Fest schon durchgeplant mit dem Martha-Lindquist-Catering, du weißt schon, das ihr auch bei der Hochzeit deiner Schwester hattet, Marita.«
»Martha Lindquist macht hier draußen auf der Insel ein Catering? Das ist ja hervorragend, Viveca, da kann ja dann wirklich nichts mehr schief gehen.«
»Wäre es auch, wenn sie mich nicht gerade angerufen hätte. Sie hatten einen Fehler in ihrem Buchungssystem. Am Tag meines Geburtstages richten sie ein Kinderfest auf Schloss Drottningholm aus. Das bindet alle ihre Kräfte. Für meinen Geburtstag hat sie da leider keine Kapazitäten frei.«
Sven spürte die Enttäuschung seiner Mutter, die mühsam versuchte, Haltung zu bewahren. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und getröstet. Aber er wusste, dass ihre Dämme dann brechen würden. Und das war etwas, was Viveca sich nur gestattete, wenn sie allein war. Kein Mensch sollte ihre Gefühle sehen. Nicht ihre Enttäuschung. Nicht ihren Schmerz, nicht ihre Trauer. Sie hatte sich seit ihrem achtzehnten Lebensjahr immer bemüht, Haltung zu bewahren, egal was auf sie einprasselte. Was sie allerdings nicht ahnte und was sie in den Augen ihres Sohnes nur noch
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