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Mittsommerzauber

Mittsommerzauber

Titel: Mittsommerzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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Offensichtlich war sie nicht die Einzige, die in dieser Nacht nicht schlafen konnte. Vielleicht hatte Annicka ja einen Albtraum gehabt und wollte sich ein Glas Wasser holen. Eigentlich eine gute Idee! Plötzlich merkte sie, wie trocken ihr Hals war.
    Sie schlüpfte in ihre hellblau-weiß gestreifte Schlafanzug-Hose und zog sich ein weißes T-Shirt über - ihre normale nächtliche Bekleidung, wenn sie sich in einem fremden Haus befand - und schlüpfte aus der Tür.
    Mit nackten Füssen tappte sie über den frisch mit Bienenwachs eingelassenen Holzboden, der sich angenehm glatt anfühlte und wunderbar duftete. Sie ging die Treppe hinunter. Und zögerte plötzlich vor der Küchentür. Was, wenn da gar nicht Annicka, sondern ein Einbrecher in der Küche war? Ein hungriger Einbrecher, der sich gerade an Tante Augustas Mandelpudding satt aß? Bevor ihre Fantasie noch weiter mit ihr durchgehen konnte, stieß sie mit einem mutigen Ruck die Küchentür auf.
    Und stand nicht vor Annicka. Aber auch nicht vor einem Einbrecher. Es war natürlich Tante Augusta, die da mitten in der Küche stand und gerade heißes Wasser auf einen Teebeutel goss.
    »Tante Augusta!« Katarinas Ton war vorwurfsvoll. »Was machst du hier mitten in der Nacht? Ich hab schon gedacht, wir hätten einen Einbrecher im Haus.«
    »Was sollte der hier wohl holen wollen?«, sagte die Tante leise.
    Tante Augusta stand am Tisch und rührte melancholisch in ihrer Tasse, ihr Blick war müde. Plötzlich fiel Katarina auf, wie zerbrechlich ihre Großtante war. Ganz fein zeichneten sich ihre schmalen Schultern unter dem hübschen weißen Morgenmantel aus Baumwollspitze ab. Sie war so dünn, dass sie mühelos in Annickas Hosen gepasst hätte. Auf ihren zarten Händen zeichneten sich blau die Adern ab.
    Katarina goss sich ein Glas Wasser ein und setzte sich an den sicher drei Meter langen, blank geschrubbten Esstisch aus hellem Ahornholz, der schon seit Generationen in dieser Küche zu stehen schien. Sie sagte vorsichtig:
    »Du kannst nicht schlafen, weil du dir Sorgen machst, stimmt’s?
    Augusta lachte verlegen.
    »Ich habe nur ein wenig nachgedacht. Aber das tue ich nachts immer. Ich brauche nicht sehr viel Schlaf, weißt du.«
    Katarina verstand, dass Augusta nicht über ihre Probleme reden wollte. Sie war viel zu zurückhaltend, um andere mit ihren Sorgen zu belasten.
    Augusta beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
    »Gute Nacht, Kind, ich gehe ins Bett. Der Tee wird mir helfen einzuschlafen.«
    Katarina stand auf und nahm Augusta in den Arm.
    »Ich wollte dich noch was fragen, Tante Augusta. Annicka und ich, wir haben uns überlegt, dass wir gerne den ganzen Sommer bleiben würden. Würde dich das stören?« Über Augustas Gesicht huschte ein Lächeln. »Aber nein, natürlich nicht. Natürlich stört ihr mich nicht. Im Gegenteil. Ich freue mich, euch hier zu haben. Bleibt, so lange ihr wollt.«
    Ihr Blick verdüsterte sich nun plötzlich, und es sah aus, als würden ihr Tränen in die Augen steigen.
    »Wer weiß, wie lange es das Tärna noch geben wird.« Sie versuchte ein schiefes Lächeln, strich Katarina hastig über die Wange und ging schnell aus der Küche.
    Katarina blieb nachdenklich zurück. Sie machte sich Sorgen um Tante Augusta. Der Kummer wegen Onkel Johans Tod und jetzt noch die zusätzliche Sorge um das Tärna, das schien zu viel zu sein für diese zarte Frau. Wenn Katarina es bisher nicht gewusst hatte, jetzt war sie sich absolut sicher, dass es richtig war, auf der Insel zu bleiben. Sie würde alles tun, um Augusta aus dieser Krise zu helfen.
    Sie lenkte ihre Gedanken in konstruktivere Bahnen. Das Tärna müsste doch eigentlich eine Goldgrube sein. Mit seinem sensationellen Blick aufs Meer und seiner gewachsenen Gemütlichkeit. Sie war sich sicher, dass die Leute, vor allem die aus der Stadt, gerne hierher kommen würden, um auf der idyllischen Terrasse zu sitzen. Sie würden den Duft des frisch geschnittenen Grases riechen, das Salz des Meeres auf der Haut spüren und mit einem exquisiten Essen verwöhnt werden. Zunächst würde sie das Kochen übernehmen. Dazu hatte sie wirklich Lust. Und dann würde sie einen Koch finden müssen, der die Tradition der guten Hausmannskost, die Onkel Johans Küche so beliebt gemacht hatte, fortsetzen konnte. Es wäre doch gelacht, wenn man das Lokal nicht wieder zur Blüte bringen könnte. Katarinas Blick fiel auf ein altes Schwarzweißfoto, das an der Wand über dem großen Küchentisch hing. Es

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