MK Boeckelberg
Skalpelle oder Messer gefunden?«
»Noch nicht, aber wir suchen noch.«
»Meinetwegen grabt ihr das ganze Grundstück um. Oder legt das Haus flach. Wir brauchen dieses Operationsbesteck.«
Hübsch nickte. »Is klar, Chef.«
Ecki nahm den Ordner in die Hand und betrachtete die Kopien der ausführlichen Berichte, in denen mit ausdrucksvoller Handschrift die einzelnen Schritte der Operationen, wie Hefter sie bezeichnete, bis ins Detail aufgeführt waren.
Zunächst waren auf den einzelnen Seiten das jeweilige Datum und die Namen der Opfer aufgeführt. Ecki zählte insgesamt acht Fälle, verteilt auf zwölf Jahre. Hinzu kam der Bericht über die tote Sabrina Genenger. Anschließend fand Ecki mehrere eng beschriebene Seiten, deren erste mit Erklärung überschrieben war.
Ecki schaltete das Licht der Schreibtischlampe ein, um besser lesen zu können. Schalke rückte näher, um mitzulesen. Demnach war Carina Cloerkes am späten Abend des 24. Juni 1995 von Paul Hefter zerstückelt worden. 1995. Im sogenannten Obduktionsbericht war immer von einer Hanna die Rede. Ecki konnte sich keinen Reim darauf machen. Wieder eine Frage, die es zu klären galt. Die Liste der benutzten chirurgischen Instrumente erstreckte sich über zwei Seiten. Die meisten Begriffe hatte Ecki noch nie gehört. Hefter musste über medizinische Kenntnisse verfügt haben.
Auf den nächsten Seiten wurden die einzelnen Schritte peinlich genau beschrieben.
Ecki lehnte sich zurück. Das war das Tagebuch eines Horrorarztes. Der Bericht enthielt allerdings keinen Hinweis darauf, wie diese Carina Hanna getötet worden war. Ob sie zum Zeitpunkt dieser abartigen Operation überhaupt schon tot war. Auch darüber, wie Carina Hanna auf den Tisch von Hefter gelangt war, gab es keinen Hinweis.
Billy. Ecki musste an den Jungen denken und blätterte weiter in den Aufzeichnungen. Und tatsächlich, er fand einen Eintrag unter dem 22. April 2006. Auch an diesem späten Abend hatte ein Kind sein Leben lassen müssen. Ecki las den Namen: Daniel. Hm, Daniel. Also nicht Billy. Daniel konnte man auch englisch aussprechen, dachte Ecki. Der Todeszeitpunkt passte perfekt zum Auffindezeitpunkt der Leiche. Es bestand nahezu kein Zweifel. Der tote Junge aus dem HQ hieß Daniel. Die britischen Kollegen würden mit dem Namen bestimmt ein gutes Stück vorankommen.
Ecki sah auf. »Könnt ihr mal checken, was es mit diesen Daten auf sich hat? 24. Juni 1995 und der 22. April diesen Jahres.«
Schalke nickte. »Kann ich mal an deinen PC?«
Ecki rückte ein Stück zur Seite und las weiter. Sechs weitere Namen und Todes-, bzw. Obduktionsdaten fand Ecki: Bianca, Mehmet, Tobias, Carolin, Sven und Mira. Sechs Kinder, deren Schicksal noch ungeklärt war. Kein Ort, kein Familienname, kein Hinweis auf die Herkunft der Opfer. Lediglich dieser Bericht gab ihnen auf bizarre Weise ein Stück Identität. Zwischen all den Zangen, Sägen, Scheren und Klammern ihre klangvollen Namen: Bianca, Mehmet, Tobias, Carolin, Sven und Mira. Und unter jedem dieser Namen diese kurzen Sätze: Der Geist ist tot. Ich habe die Seele befreit. Nun kann sie leben.
Ecki seufzte. Sie würden bis zur Aufklärung noch viel arbeiten müssen. Er wollte und konnte jetzt nicht jeden einzelnen Fall zu Ende lesen. Das ging über seine Kraft. Hastig blätterte Ecki die Kladde durch und blieb an der Überschrift Erklärung hängen. Die Handschrift war gestochen scharf. Das Textbild hatte etwas von der magisch anziehenden Kraft einer alten Bibel.
ERKLÄRUNG
von Paul Hefter
Dies ist geschrieben für den Fall, dass mich das Schicksal ereilt, diese Welt unfreiwillig verlassen zu müssen. Nicht dass ich den Fall fürchte, noch die Zeit und den Ort. Aber es gibt Ahnungen, die mich zu diesem Schritt bewegt haben. Ich muss der Welt die Wahrheit sagen. So wie ich die Seelen der Welt zu retten versucht habe. Ich muss Zeugnis ablegen von meiner Arbeit, auf dass sie verstanden werde. Und ich muss der Wahrheit zu ihrem Recht verhelfen, so es keinen anderen Weg mehr gibt.
Hiermit erkläre ich zunächst, dass ich, Paul Hefter, im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte bin und meine Taten im vollen Bewusstsein begangen habe. Wobei ich die Taten nicht als »Taten« im juristischen Sinn verstanden wissen möchte. Ebenso wie ich juristisch keinerlei »Schuld« empfinde. Das betone ich ausdrücklich. Im Gegenteil. Ich habe mein Bestreben stets nach den Seelennöten meiner Kinder ausgerichtet. Sie sahen so bedauernswert aus, so zerbrechlich, so
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