MK Boeckelberg
aus wie eine Luftblase. Ecki lehnte sich zurück und fühlte die sichere Wand der Antennenanlage. Mit einer Hand fuhr er sich durch sein Gesicht. Er wartete. Er konnte nichts mehr tun. Er konnte nur noch warten. Darauf, dass sein Freund sprang. Oder darauf, dass sein Freund sich endlich zu ihm umdrehte.
Es kam Ecki vor wie eine Ewigkeit, bis Frank sprach.
»Es hat alles keinen Sinn mehr.«
Ecki schwieg. Er wollte die Chance dieses Augenblicks nicht zerstören.
Es dauerte wieder eine Zeit, bis Frank weitersprach. Seine Stimme war leise und klang fast sanft. »Ich bin am Ende, Ecki. Lass mich besser alleine.«
Ecki schwieg weiter.
»Ich habe alles falsch gemacht. Lisa ist weg. Ihre Eltern wissen auch nichts. Sie ist einfach weg. Sie ist gegangen, ohne nach Hause zu kommen. Als wenn ich schuld wäre. Ich kann doch nichts dafür, dass sie unser Kind verloren hat, Ecki. Ich kann doch nichts dafür. Aber ich glaube, dass sie mir die Schuld gibt. Und deshalb ist es besser, wenn ich Schluss mache. Ecki, glaube mir. Es ist besser.«
Ecki wollte etwas sagen, aber er brachte kein Wort über die Lippen.
»Mein Leben macht keinen Sinn mehr. Meine Lisa ist weg, unser Kind ist tot. Was soll ich denn noch hier?«
Ecki musste schlucken. Lisa war weg, traumatisiert von der Totgeburt. Er versuchte sich vorzustellen, wie es in Frank aussehen musste. Aber er brachte die Enden nicht zusammen. Was Frank in den vergangenen Tagen erlebt und durchlitten haben musste, widersprach allem, was Ecki in seinem Leben bisher erlebt und erfahren hatte. Er fühlte sich hilflos und leer. Seine Arme waren schwer. Er wollte so gerne helfen, aber er konnte nicht.
»Weißt du, wir hatten uns so auf das Kind gefreut. Wir haben Pläne gemacht, uns gestritten wegen der Tapete im Kinderzimmer, haben uns geküsst vor Glück. Aber wir waren ohne Chance. Der Tod kam ohne Voranmeldung, Ecki. Wir hatten einfach keine Chance.«
Ecki räusperte sich. »Frank, ich finde sicher nicht die richtigen Worte. Aber ich bin sicher, das Lisa dir nicht die Schuld gibt. Die Natur hat sich anders entschieden. Das Kind wollte nicht auf die Welt. Es war nicht vorbereitet. Es war nicht der richtige Zeitpunkt. Mit Schuld hat das nichts zu tun. Ich glaube, dass Lisa das weiß und dass sie eine Auszeit braucht. Denk daran, welchen Horror sie durchgemacht haben muss. Lass uns zusammen zu ihrem Arzt gehen. Er wird es dir sicher erklären.«
Frank schwieg.
»Frank, Lisa ist bestimmt weggefahren, damit sie ihr Leid, ihre Tränen und ihre Schmerzen nicht auch noch dir aufbürdet. Sie hat dich schonen wollen. Ja, davon bin ich überzeugt. Sie liebt dich so sehr, dass sie dich schützen will. Sie wird ihre Zeit brauchen, um das Ganze zu verarbeiten. Aber dann wird sie zu dir kommen. Und dann wird sie dich brauchen.«
Ecki beobachtete seinen Freund. Er musste jetzt weitersprechen, er durfte nicht aufhören. Sonst würde der dünne Faden reißen, der zwischen ihnen schon gespannt war. Aber was sollte er sagen?
»Frank, komm nach Hause. Bitte. Ich bin dein Freund und ich habe Angst um dich. Und – ich brauche dich. Unsere Ermittlungen im Fall Bökelberg kommen nicht voran. Ohne dich kann ich das nicht schaffen. Ohne dich können wir das hier alles nicht schaffen.«
Frank bewegte sich nur ganz wenig. Er zog seine Schultern hoch und ließ sie dann langsam sinken.
»Ich habe in ihrem Zimmer nur einen Zettel gefunden. Einen von den gelben. Du weißt schon, einer von ihren Sprüchen.«
»Und was steht auf dem Zettel?« Ecki spürte so etwas wie Hoffnung.
»Der Zettel klebte auf ihrem Nachtschränkchen. Er sah so verloren aus, in diesem leeren Krankenzimmer. Das Bett hatten sie schon neu bezogen und in eine Plastikplane gesteckt. Auf dem Zettel steht: ›Mit seinem Leben muss letztlich jeder Mensch allein zurechtkommen. – Ingrid van Bergen‹.«
»Siehst du. Das ist es doch, was ich dir sagen wollte. Lisa ist ein kluger Mensch. Sie weiß, dass nur sie alleine mit ihrem Schicksal fertig werden kann. Und dass sie dich nicht belasten will. Sie wird zurückkommen, Frank. Sie wird zurückkommen, hörst du mich?«
Ecki wäre um ein Haar auf Frank zugestürzt, um ihn von der verdammten Kante wegzuziehen. Dabei wusste er, dass jede auch noch so kleine Bewegung von ihm tödliche Folgen haben könnte.
Frank blickte stumm auf die Kühltürme der Kraftwerke.
Eckis Stimme klang fast lautlos, so leise sprach er. »Komm, Frank, komm nach Hause. Bitte. Lisa zuliebe und eurer Liebe zuliebe.
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