MK Boeckelberg
war voll. Dicht gedrängt saßen und standen dort Bürger im Halbdunkel und hielten Spruchbänder und Transparente hoch. An ihren ernsten Gesichtern konnte er ablesen, dass sie mit dem Verlauf der Sitzung nicht zufrieden waren. Auf ihren Pappschildern und eilig bemalten Betttüchern standen Sprüche wie »Niemals IEA«, »Stoppt Ausverkauf der Stadt«, »Einkaufszentren kann man nicht essen« oder »keinen Euro für den Konsumterror« und »Stadttheater statt Theater«.
Beim Eintritt der Polizeibeamten hatte sich der SPD-Politiker nur kurz zu den breiten Türen umgesehen, die den Ratssaal von seinem spärlich möblierten Vorraum trennten. Er war zu sehr auf seine Rede konzentriert, als dass er groß Notiz von den Männern am Eingang genommen hätte. Frank konnte sehen, dass der Oberbürgermeister Norbert Bude eine Hand um sein Mikrofon legte und sich zu dem Mann beugte, der direkt neben ihm saß. Es war Baudezernent Karsten Mösges, der achselzuckend den ersten Bürger der Stadt ansah.
Auch die Journalisten, die an der Längsseite des Saals direkt neben dem Leitstand für die Saaltechnik saßen, hatten Frank, Ecki und Schalke bemerkt. Herbert Baumann von der Westdeutschen Zeitung tuschelte heftig mit seinem Nebenmann.
»Wo ist Hünner?« Schalke sah sich nach allen Seiten suchend um.
»Da, er sitzt gleich vorne bei seiner Fraktion.« Ecki deutete auf die erste Bankreihe zu Füßen des erhöhten Dezernentenpodiums.
»Dann los.« Ohne auf die überraschten Kommunalpolitiker zu beiden Seiten des Mittelgangs zu achten, ging Frank zielstrebig auf Daniel C. Hünner zu, der erst im letzten Augenblick erkannte, dass der unverhoffte Besuch ihm galt.
Frank konnte sehen, dass Hünner kreidebleich wurde und seine Hände zu zittern begannen.
»Meine Herren, ich weiß zwar nicht, wer Sie sind oder was Sie wollen, aber darf ich Sie höflich bitten, auf der Besuchertribüne Platz zu nehmen. Der Ratssaal ist lediglich den Mitgliedern des Rates vorbehalten.« Der Oberbürgermeister sah die drei höflich, aber bestimmt an.
Frank trat an den Tisch des Oberbürgermeisters. »Verzeihen Sie bitte unser Eindringen. Mein Name ist Frank Borsch, Kriminalhauptkommissar. Wir haben ein paar Fragen an Herrn Hünner. Wir möchten ihn bitten, uns auf das Präsidium zu begleiten. Sie können Ihre Sitzung in Ruhe weiterführen.«
Der Chef der Stadtverwaltung sah Frank erstaunt an. »Meine Herren, ich weiß nicht, ob das nötig ist, den Ratsherren Hünner aus der laufenden Sitzung abzuholen.«
»Glauben Sie mir, es ist nötig.« Frank versuchte, freundlich zu bleiben. Er hatte keine Lust, mit dem OB zu diskutieren.
»Wenn es denn sein muss, bitte.« Der Oberbürgermeister lehnte sich zurück, um mit seiner Referentin zu sprechen, die hinter ihm saß.
Frank drehte sich zu Hünner. »Kommen Sie bitte mit, Herr Hünner. Wir haben den begründeten Verdacht, dass Sie uns eine Menge zu erzählen haben. Je freiwilliger Sie meiner Aufforderung folgen, umso geringer wird das Aufsehen sein.«
Hünner sah wortlos zwischen den Beamten hin und her. Seine Fraktionskollegen hatten ihre Stühle so gedreht, als hätten sie Angst Hünner auf das Präsidium begleiten zu müssen. Neugierig beobachteten sie die Szene.
»Ich weiß nicht, was …«
Frank schnitt Hünner das Wort ab. »Stehen Sie auf und kommen Sie bitte mit. Ihre Unterlagen können Sie liegenlassen. Man wird sich sicher um sie kümmern.«
Hilflos suchte Hünner Blickkontakt zu seinen Kollegen, aber alle wichen sie ihm aus. Im Saal war es mittlerweile still geworden.
Als Hünner merkte, dass ihm keine Wahl blieb und er auch von seiner Partei keine Hilfe zu erwarten hatte, stand er langsam auf. Mit schweren Händen knöpfte er sein Jackett zu und trat dann aus der Bank in den Gang.
Für einen kurzen Augenblick blieb er stehen, so als wollte er in diesem Augenblick noch einmal ganz bewusst die Atmosphäre der Ratssitzung spüren, dann ging er mit festem Schritt auf die Bank der Journalisten zu.
»Meine Damen, meine Herren, das ist alles nur ein Missverständnis. Eine bedauerliche Verkettung unglücklicher Zufalle. Sie werden sehen. Ja, nur ein Missverständnis.« Daniel C. Hünner, Kandidat der KFM für den Posten des Oberbürgermeisters stand kerzengerade vor den Journalisten und hatte sein bewährtes Siegerlächeln aufgesetzt. Dicke Schweißperlen rannen an seinen Schläfen entlang in den Hemdkragen.
Die Journalisten sagten kein Wort. Sie starrten Hünner nur an. Selbst Baumann, sonst nie
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