MK Boeckelberg
analysieren. Und er sollte Colonel Digby in Marsch setzen. Sollten die Briten im HQ mal zeigen, wozu sie fähig sind. Er musste schnell ein Ergebnis haben. Entweder hopp oder topp. Hünner war schuldig, oder nicht. Die Zeit war knapp. Mit fahrigen Fingern suchte er Eckis Nummer.
»Bitte schalten Sie Ihr Handy aus.«
Die Stimme hinter seinem Rücken klang sanft und freundlich.
Frank fuhr herum und ließ langsam das Telefon sinken. Vor ihm stand ein mittelgroßer Mann Anfang fünfzig, dessen kompakter Körper in luftiger hellgrüner OP-Kleidung steckte. An seinen nackten Füßen trug er weiße Clogs. An seinem Hals baumelte ein Mundschutz.
»Harald Lehnen. Ich bin der Chefarzt hier. Wollen Sie nicht in mein Büro kommen?« Einladend zeigte der blonde Arzt auf die Tür zu seinem Sekretariat.
»Was ist mit Lisa?« Frank hielt immer noch sein Handy in der Hand.
»Bitte, Herr Borsch, kommen Sie.« Lehnen klang gütig, aber bestimmt.
Wie ein kleiner Junge folgte Frank dem Mediziner.
»Bitte, nehmen Sie Platz.« Lehnen deutete freundlich auf einen tiefen Ledersessel, der in einer Ecke seines hellen Büros stand. Auf dem kleinen Tischchen waren mehrere Mineralwasserfläschchen und Gläser auf einem Tablett arrangiert. Die deckenhohen Regale waren gefüllt mit Fachbüchern und medizinischen Zeitschriften.
Frank setzte sich, ohne seine Jacke auszuziehen. Er wollte endlich mit Lisa sprechen. Irgendetwas stimmte nicht.
»Sie sind aufgeregt, nicht wahr?« Lehnen hatte Frank gegenüber in einem bequemen hellen Sessel Platz genommen.
»Hören Sie, es geht nicht um mich. Was ist mit Lisa? Wo ist Lisa? Ich will zu ihr.« Frank saß auf der Kante des Sessels.
»Sie sind Leiter der hiesigen Mordkommission, sagte mir Frau Momm, meine Sekretärin. So. Ich verstehe Ihre Ungeduld. Aber ich muss Ihnen zunächst einige Dinge erklären, zum besseren Verständnis. Ihrer Freundin geht es den Umständen entsprechend gut.«
»Was ist mit ihr? Ich will keine Erklärungen, ich will endlich wissen was mit ihr ist.«
»Nun«, der Chefarzt der Frauenklinik räusperte sich, »es ist also so: Wir entbinden im Jahr etwa 1.600 Frauen. Konstant, seit Jahren. Von diesen 1.600 Neugeborenen sind bis zu 25 Prozent mit ernsthaften Risiken behaftet.«
Dr. Lehnen machte eine Pause und legte die Fingerspitzen seiner Hände gegeneinander. Er sah dabei Frank offen ins Gesicht.
»Mein Kind, unser Kind ist krank?« Franks Gedanken rasten. Er hatte das Gefühl, seine Beine versagten den Dienst. Kein behindertes Kind, bitte kein behindertes Kind! Das fehlte noch. Das würde er nicht aushalten.
Lehnens Miene wurde sehr ernst. »Nein, Herr Borsch. Nicht behindert. Ihre Freundin hat das Kind verloren.«
Was heißt verloren? Wie kann eine Mutter ihr Kind verlieren, das noch gar nicht geboren ist? Wo hatte sie es verloren?
»Verloren?«, fragte Frank langsam.
»Ja. Es tut mir leid, Herr Borsch. Wir haben nichts mehr tun können.«
Verloren heißt tot. Frank, rief er sich innerlich zu, tot.
»Tot? Das Kind ist tot? Wer hat das getan?«
»Sie verstehen mich falsch, Herr Borsch. Der Fötus, das Kind, ist tot. Ohne Einwirkung von außen. Wir haben keine Herztöne mehr gehört und sofort handeln müssen. Es gibt solche Fälle. Die Föten sterben ohne vorherige Anzeichen. Die Fälle sind selten, aber es gibt sie. Leider. Dieses medizinische Phänomen ist noch weitgehend unerforscht. Meist tritt es in der 36. Schwangerschaftswoche auf. Wie gesagt, ohne Vorwarnung. Es ist ein Drama. Es tut mir leid.«
»Ein Fehler, Sie müssen einen Fehler gemacht haben! Einen schrecklichen Fehler!« Tränen traten Frank in die Augen. Er konnte nicht mehr denken. Sein Innerstes war blind. Sein Kind tot! »Hören Sie auf! Das kann nicht sein! Sie müssen sich irren. Das ist eine Verwechslung. Das muss so sein. Meine Freundin heißt Lisa. Lisa, verstehen Sie?«
Dr. Harald Lehnen ließ Frank weinen. Was hätte er auch tun können? Kaum wahrnehmbar hob er die Hand, als seine Sekretärin vorsichtig und von Frank unbemerkt die Tür öffnete. Er nickte leicht. Seine Sekretärin hatte verstanden und zog ebenso leise die Tür wieder zu.
Es dauerte mehrere Minuten, bis Frank sich einigermaßen beruhigt hatte und zu Lehnen aufsah. Sein Gesicht war aufgequollen. »Und jetzt?« Er suchte in seiner Hosentasche nach einem Taschentuch.
Der Chefarzt reichte Frank ein Tempo, dann öffnete er eine Flasche Mineralwasser. »Möchten Sie ein Glas?«
Frank nickte erschöpft. »Erzählen
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