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Titel: Mobile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Richter
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der Herr, weiß, was mit dem kleinen Mädchen passiert ist. Er weiß, wer sie verschwinden ließ und was mit ihr geschehen ist, was ihr angetan wurde. Auch ich werde es bald erfahren, denn im Himmelreich gibt es keine Geheimnisse. Oder, Reverend Father?«
    »Nein, die gibt es dort nicht.«
    Der Verurteilte lächelte selig, seine Augen leuchteten. »Bitte lassen Sie mich nun allein, Reverend Father, ich möchte beten, bis ich abgeholt werde. Vielen Dank für Ihren Besuch, es war schön, noch einmal zu reden.«
    Der Geistliche erhob sich von dem Schemel.
    »Der Herr sei mit dir, mein Sohn.«
    »Vergessen Sie nachher das Vaterunser nicht.«
    »Ganz gewiss nicht, mein Sohn, ganz gewiss nicht.« Mit diesen Worten nickte er dem Wärter zu, der vor der Zellentür stand. Der Wärter schloss auf und der Geistliche verließ die Zelle.
    Der Verurteilte, den vor vierzehn Jahren das Gericht für schuldig befunden hatte, die fünfjährige Tochter eines hochangesehenen Arztes entführt und getötet zu haben, streckte sich auf der Pritsche aus. Er starrte an die Decke. Die Leiche des Mädchens war nie gefunden worden. Man hatte ihn verurteilt anhand dub ioser Zeugenaussagen, falscher Meineide und der unterstellten Motivation, sich an dem Vater des Mädchens zu rächen, unter dessen Händen seine junge Ehefrau während einer Routineoperation gestorben war. Doch er hatte es nicht getan. Er hatte nicht mal einen Gedanken an so etwas verschwendet. Jemand anderes hatte das getan. Jemand, den er nicht kannte. Noch nicht. Doch schon bald würde er erfahren, wer es gewesen war.
    Gott würde es ihm verraten.
    Gott schuldete ihm einen Gefallen.

Samstag, 15. Juni
     
    B ereits in den frühen Morgenstunden hatte sich Carola gemeinsam mit ihren Eltern auf den Weg nach Fürth gemacht, wo ihre Schwester seit einigen Jahren wohnte, die in der kommenden Nacht in ihren vierzigsten Geburtstag hineinfeiern wollte. Joachim war nicht mitgefahren. Der Grund war denkbar einfach: Er konnte seine Schwägerin nicht ausstehen. Er hatte sie von Anfang an nicht sonderlich gemocht. Doch seit sie ihn vor längerer Zeit einmal auf das Übelste beschimpft und sich dafür mit keinem Wort bei ihm entschuldigt hatte, sprach Joachim mit ihr nicht mehr als das Notwendigste. Da Niklas auch keine Lust gehabt hatte, seine Tante zu besuchen, hatte Joachim Carola kurzerhand alleine losgeschickt. Sollte sie mit ihrer Familie feiern, sich amüsieren und auf andere Gedanken kommen.
    Gleich nach dem Frühstück war Joachim mit seinen Söhnen in die Innenstadt gefahren und hatte für Niklas T-Shirts und Hosen gekauft. Anschließend hatte Joachim ihn bei einem Freund zum Spielen abgesetzt und war mit Daniel nach Hause gefahren, genau rechtzeitig, damit der Klei ne seine Gläschennahrung bekam.
    Während Daniel von Joachim gefüttert wurde, rieb er sich immer wieder die Augen. Er war müde. Joachim w ickelte Daniel neu und legte den nun vor Müdigkeit bereits nörgelnden Jungen ins Kinderbett. Dann dunkelte er den Raum ab, verließ das Zimmer und lehnte die Tür an. Er lauschte noch kurz. Ruhe. Zufrieden ging Joachim ins Wohnzimmer. Er wollte gerade eine entspannende Stunde mit der Zeitung auf dem Sofa einläuten, als aus Daniels Zimmer ein lauter, kurzer Aufschrei kam. Es blieb bei diesem einen Schrei. Dennoch beschloss Joachim, nach Daniel zu sehen.
    Der Junge lag auf der Seite. Seine Augen waren weit aufgerissen, die Wangen rot, die Haare verschwitzt. Der Kleine hatte die leichte Wolldecke weggestrampelt und begann leise zu wimmern, als er seinen Vater sah. Joachim hob ihn aus dem Bett und drückte ihn sanft an sich.
    »Hey, kleiner Mann, was ist denn das?«, flüsterte er liebevoll und befühlte Daniels Stirn und Wangen. Die Temperatur war nicht erhöht. Leise summend trug Joachim seinen Sohn im Raum auf und ab. Es dauerte nicht lange, und der Junge war wieder eingeschlafen. Joachim ließ noch zwei Minuten verstreichen, dann legte er Daniel zurück ins Kinderbett. Doch in dem Moment, in dem der Ju nge auf die Matratze gelegt wurde, wurde er schlagartig wach. Sofort begann er, bitterlich zu weinen.
    Joachim verzog den Mund. »Nun komm schon, kleiner Mann, schlaf jetzt! «
    Daniel weinte ununterbrochen.
    Joachim zog an der Schnur der Spieluhr. Doch das Einschlaflied beruhigte Daniel nicht - im Gegenteil, nun brüllte er noch lauter. Schriller. Hysterischer.
    »Scheiße«, murmelte Joachim, hob Daniel wieder aus dem Bett und drückte ihn an sich. Als das Kind den Körper seines

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