Mobile
dran?«
»Ja«, sagte er, »es ist ... - kannst du frei reden?«
»Sicher. Was ist los?«
»Das Mobile über Dan iels Bett ... - hast du es zwischendurch mal sauber gemacht, womöglich mit einem sehr scharfen, ätzenden Putzmittel?«
»Das Mobile …? Nein, habe ich nicht. Wie kommst du darauf?«
Joachim schloss die Augen und nickte bestätigend vor sich hin, dann sagte er: »Du musst nach Hause kommen, Caro. Sofort!«
Sie fragte überrascht: »Nach Hause? Was stimmt nicht?«
»Die Kinder sind okay und ich bin es auch. Aber du musst her kommen, sofort. Nimm den nächsten Zug, oder noch besser: Steig in Nürnberg ins Flugzeug. Es tut mir leid für dich und deine Schwester, aber das hier ist wichtiger. Es geht um Daniel und du musst ...«
Carola unterbrach ihn: »Ich mache ich mich jetzt sofort auf den Weg.« Damit legte sie auf.
Es war kurz nach einundzwanzig Uhr, als Carola die Hände vors Gesicht schlug und Joachim aus entsetzten Augen anstarrte. »Das gibt’s doch gar nicht«, stammelte sie. »Ist das wirklich wahr?«
» Es ist genau so gewesen, wie ich es dir sage. Ich hatte fast schon Angst um sein Leben, so hysterisch war er - und das wegen des Mobiles.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann so etwas nicht glauben. Nein, anders: Ich will das einfach nicht glauben.«
»Mir geht es nicht anders, Caro, aber so war es gewesen. Ich habe Daniel so noch nie erlebt. Und außerdem hast du die Figur ja selbst gesehen.«
»Trotzdem …«
»Mit trotzdem und Ähnlichem kommen wir nicht voran«, entgegnete Joachim ruhig. »Du hast mit eigenen Augen gesehen, dass die Figur kein Gesicht mehr hat, und auch alles andere passt zusammen.«
»Was passt zusammen?«, fragte sie fahrig.
»Es passt zeitlich zusammen. Tatsache ist, dass Daniel immer unruhiger wurde, seitdem das Mobile über seinem Bett hängt. Oder war er etwa ein unruhiges Kind, bevor das Mobile in seinem Zimmer hing? Nein, war er nicht. Es begann mit dem Mobile, Caro, das ist Fakt, vorher war mit ihm ja alles in Ordnung.«
Einige Sekunden lang herrschte Stille.
»Das Ganze ist entweder eine Verarschung oder irgendein Tr ick«, sagte Carola schließlich.
Er schüttelte den Kopf. »Weder noch. Es ist etwas anderes.«
»Aber was? Du willst mir doch nicht weismachen wollen, unser Sohn habe so etwas wie eine mysteriöse Verbindung zu einem ... Holzspielzeug.«
Er rieb sich die Augen und sagte: »Ich weiß es nicht. Im Moment weiß ich überhaupt nichts mehr.«
»So etwas gibt es nicht, dass ein albernes Holzspielze ug ... ein Mobile ... in einer Verbindung steht zu einem Kind ... zu unserem Sohn. Das ist totaler Schwachsinn.«
»Eigentlich schon, ja. Aber vielleicht gibt es das ja doch, irgendwie.«
Carola sprang auf und zischte: »Jetzt mach aber mal 'nen Punkt. Dieses mistige Mobile ist nichts weiter als angemaltes Holz, wie soll das zu Daniel ... - hör' mir auf damit!«
»Daniels Zustand ist heute ein anderer als noch vor Wochen, bevor wir das Mobile aufgehängt haben, und das Mobile verliert seine Farbe. Daniel und das Mobile stehen in einer Verbindung zueinander, die ich nicht verstehe und deren Sinn ich nicht kapiere, aber ganz offensichtlich gibt es diese Verbindung.«
»Aber welche? Was passiert mit Daniel?«
»Falsche Frage, Caro. Die Frage muss lauten: Was passiert mit beiden ?«
Sie sah ihn verwundert an.
»Es ist eine wechselseitige Beziehung. Daniel und das Mobile machen etwas miteinander, das beide Wesen verändert.«
»Du bist doch nicht ganz dicht, Joachim Netzner! Ein bescheuertes Holzmobile soll ein Wesen haben?«
»Dann nenn' es anders, nenn' es meinetwegen ... Merkmale. Die Merkmale des Mobiles verändern sich, dass siehst du doch: Es verliert Farbe. Punkt!«
Sie schüttelte vehement den Kopf. »Es gibt nichts zwischen Daniel und dem Mobile, da ist keine Verbindung oder etwas anderes. Ich sage dir jetzt mal was, Joachim: Ich werde das Mobile wegwerfen. Und zwar sofort. Du wirst sehen, dass nichts weiter passiert.«
»Es wird sehr wohl was passieren. Mit Daniel. Warte ab!«
»Kommst du mit in sein Zimmer?«, fragte sie.
Er schüttelte müde den Kopf.
»Dann eben nicht«, zischte sie und sta mpfte aus dem Wohnzimmer.
Joachim ließ sich auf das Sofa fallen. Sein Herz raste. Er wünschte sich sehnlichst, dass Carola Recht behalten würde. Dass nichts geschah. Dass der Spuk ein Ende hatte. Dass es endlich vorbei war.
Joachim horchte. Kurz darauf begann Daniel zu schreien, als ginge es um sein Leben. Der Junge schien
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