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Titel: Mobile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Richter
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ein großes Ölgemälde in einem vergoldeten Holzrahmen; ein impressionistisches Bild, das ein blondes Mädchen zeigte, das lachend hinter einem Schmetterling herlief. Inmitten des Raumes stand eine große Bodenvase aus Bleikristall, prall gefüllt mit langstieligen Rosen.
    »Scheiße, wo sind wir hier?«, fragte Michael.
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, murmelte Joachim. »Und ebenso wenig, wie wir hier hergekommen sind.«
    Michael sah die Frau an. Sie war kaum älter als Dreißig, schlank und trug einen grauen Damenanzug mit weißer Bluse. Die Absätze ihrer braunen Schuhe verlängerten ihre ohnehin langen Beine zusätzlich. Ihre braunen langen Haare trug sie offen, in ihrem wunderschönen Gesicht war kein Makel zu entdecken.
    Michael war im Begriff aufzustehen, doch sie schüttelte den Kopf un d unsichtbare Hände schienen ihn in dem Sessel zu halten. »Ich komm nicht hoch«, rief Michael erstaunt. »Scheiße, ich bin wie angeklebt. Wie geht das?«
    Joachim versuchte ebenfalls aufzustehen, doch auch ihm gelang es nicht. Verwunde rt sah er die Frau an. »Wie ist das möglich, was machen Sie mit uns? He, wer sind Sie?«
    »Sie heißt Bess«, sagte ein e sonore Männerstimme mit hartem nordenglischem Akzent. »Zumindest heißt sie hier Bess. Untereinander bevorzugen wir kurze und einfache Namen.«
    Erst jetzt entdeckten sie den Mann, der am Fenster mit den zugezogenen Vorhänge stand. Langsam ging er auf Joachim und Michael zu. In einer Hand ließ er einen Frackstock mit Silberknauf kreisen. Er war schlank und trug einen dunkelblauen Anzug zu einem weißen Hemd und einer dezenten Krawatte, seine Füße steckten in schwarzen Halbschuhen. Sein volles, graues Haar war frischfrisiert und glänzend. Das Gesicht war hager und an Stirn und Wangen von markanten Falten durchzogen. Er durfte etwa Anfang Fünfzig sein.
    »Meine Herren, ich muss schon sagen: Anerkennung!« Er nickte beiden zu. »Es ist eine Ewigkeit her, dass sich jemand aufgemacht hat. So lange bereits, dass ich mich kaum noch daran erinnere. Und niemals zuvor hat es jemand so dicht heran geschafft.«
    Er schlug sich leicht vor die Stirn, lächelte dünn und sagte: »Ich rede und rede, und dabei habe ich mich Ihnen noch nicht mal vorgestellt. Wo sind bloß meine Manieren?« Er verbeugte sich leicht. »George«, sagte er dann. »Wie gesagt, hier bevorzugen wir kurze und einfache Namen.«
    G. Joachim und Michael warfen sich einen raschen Blick zu. Doch dieser Mann konnte unmöglich derjenige sein, den sie suchten - dazu war er viel zu jung.
    Er sagte: »Ihre Namen wurden mir bereits verraten. Michael ist einfach, an dem anderen Namen kann man sich die Zunge brechen, wenn man kein Deutsch spricht. Ich hoffe, dass Sie einverstanden sind, wenn ich daher den Namen mit Jo abkürze. Wobei: Wer von Ihnen ist Jo?«
    »Ich«, sagte Joachim nervös. Er fragte sich, was vor sich ging.
    »Es ist mir eine Freude, Jo.« Er wandte sich der Frau zu. »Bess, meine Liebe, bring mir doch bitte rasch einen Stuhl. Unser Besuch kann ja derzeit nicht aufstehen und wir wollen uns auf Augenhöhe miteinander unterhalten.«
    Die Frau holte aus der Ecke des Raumes einen Stuhl im Biedermeie r-Stil mit hellblau gepolstertem Sitz und stellte ihn mittig vor die beiden Sessel. George setzte sich, stellte den Frackstock zwischen seinen Beinen auf den Boden und legte die Hände auf den Knauf.
    Joachim fragte: »Wieso hängen wir in den Sesseln fest wie betoniert? Was haben Sie mit uns gemacht?«
    » Ich kann so etwas leider nicht«, antwortete George. »Ihre Beschwerden richten Sie bitte an Bess.«
    »Warum sind wir hier?«, fragte Michael.
    »Weil Sie hier sein wollen.«
    »Von wollen kann wohl kaum die Rede sein. Irgendeine Tante hat mir mitten auf der Straße das Licht ausgeknipst, und als ich wieder zu mir komme, befinde ich mi ch in diesem Sessel und bekomme meinen Arsch nicht aus dem Polster.«
    George lächelte flüchtig. »Eine interessante Zusammenfassung der Geschehnisse, knapp und amüsant auf den Punkt gebracht. Doch es ändert nichts: Sie hier sind, weil Sie hier sein wollen. Sie haben sich nach etwas auf die Suche gemacht und Ihre Suche endet hier.«
    »Ach ja?«, sagte Michael spöttisch und sah sich weiter in dem Raum um, der imposant und drückend zugleich war. »Und nach was haben wir gesucht?«
    George sah Joachim an. »Jo, Ihr Freund leidet offensichtlich an einer Art Amnesie. Helfen Sie ihm doch bitte auf die Sprünge und schließen Sie zugleich meine kleinen

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