Mobile
Wissenslücken. Also Jo, wonach haben Sie und Michael gesucht?«
»Nach einem Mann.«
»Einem Mann. Das trifft auf mich zu. Weiter?!«
»Sein Vorname beginnt vermutlich mit dem Buchstaben G.«
»G. Wie George. Auch das trifft auf mich zu.«
»Er ist Engländer.«
»Das trifft ebenfalls auf mich zu. Es könnte interessant werden, Jo. Weiter!«
»Er soll A ugen wie eine Katze haben.«
» Oh, wie soll das möglich sein? Was haben Sie noch, Jo?«
»E r ist über achtzig Jahre alt.«
»Achtzig oder älter. Hm, ich denke nicht, dass ich aussehe wie ein Achtzigjähriger oder gar noch älterer Mann. « Sein Blick wanderte zu Michael. »Mit nicht mehr als diesen Informationen haben Sie und Jo sich auf die Suche gemacht? Es ist so gut wie aussichtlos, mit so wenig Informationen den Richtigen zu finden. Und dennoch: Sie hätten selbst diese wenigen Informationen niemals erhalten dürfen. Die liebe Frau Reichel hat sich nicht an die Vereinbarung des Schweigens gehalten. Sie hätte es besser getan. Die Ärmste, ihre letzten Minuten müssen ihr wie Stunden vorgekommen sein, die Qual während des Sterbens hat ganz eigene Zeiteinheiten. Wie sehen Sie es, Michael: Wenn man das Schweigen zusagt, muss man das Schweigen auch einhalten, oder? Ich sehe das so: Eine Zusage ist eine Zusage, und wer eine Zusage bricht, ist ein Verräter. Verrat ist das schlimmste Vergehen unter zwei Menschen, die einander vertrauen. Verrat darf nicht ungestraft bleiben.«
Michael verzog keine Miene.
George griff in eine Tasche seine Jacketts. Er zog ein abgegriffenes Holz-Jojo hervor, steckte den Zeigefinger durch eine kleine Schlaufe und begann, das Jojo auf- und abhüpfen zu lassen. »Bitte lassen Sie sich durch mein kleines Spiel nicht stören. Sie müssen wissen, ich liebe dieses Spielzeug. Ich liebe jedes einzelne meiner Spielzeuge, aber zu diesem hier habe ich eine ganz besondere Beziehung. Ich habe es vor etwa dreißig Jahren gebaut und es ist seitdem durch viele Kinderhände gegangen. Zuletzt hat es einem kleinen Jungen aus Paisley oben in Schottland gehört. Nun ist das Jojo wieder bei mir gelandet. Jedes meiner Spielzeuge kehrt irgendwann in meine Hände zurück, solange es seinen Dienst noch nicht vollständig erledigt hat. Ich muss aber ehrlich zugeben, dass ich mir ernsthafte Sorgen mache um mein Mobile. Und das liegt an Ihnen, meine Herren.«
»Stopp, einen Moment!«, sagte Joachim. »Ihr Mobile? Sie wollen mir ... uns weismachen, dass Sie ... das Mobile gebaut haben?«
»Oh ja, mit meinen eigenen Händen.«
»Und dann wollen Sie es dem Kerl gegeben haben, mit dessen Hilfe Herr Reichel diesen Krimskrams-Laden eröffnete?«
George lächelte milde. »Das ist soweit richtig, mein lieber Jo, doch in Ihrem Gedankenspiel haben Sie einen Schritt zu viel drin.«
»Und welchen?«
»Ich gab es nicht jemanden, der es dann Wilhelm gab. Ich selbst gab es Wilhelm. Wieso auch nicht? Denn schließlich bin ich derjenige, mit dem er damals das Geschäft abgeschlossen hatte.«
Michael reagierte überhaupt nicht, nicht einmal ein kurzes Aufzucken oder Augenflackern war zu entdecken.
Joachim hingegen guckte perplex. »Ganz klar«, sagte er dann spöttisch. »Sie sind also der Mann, den wir suchen? Das ist ja wirklich interessant, ich bin beeindruckt. Ich wollte schon immer einem achtzigjährigen Greis begegnen, der Jahrzehnte jünger aussieht.«
Schmunzelnd steckte George das Jojo in die Jacketttasch e zurück. Er sagte: »Rund dreißig Jahre ist es jetzt her, seit ich den Kontakt zu dem Mobile verloren habe. Ich fragte mich, wie es sein konnte, denn normalerweise weiß ich immer, wo mein Spielzeug ist, aber zu dem Mobile hatte ich plötzlich den Kontakt verloren. Über einen zu langen Zeitraum fehlte das Kind, das mich und das Mobile miteinander verknüpft. Ich dachte schon, das Mobile für immer verloren zu haben. Jo, verraten Sie mir: Wo war das Mobile all die Zeit gewesen?«
»Es lag verpackt in einer Kiste auf dem Dachboden meiner Eltern. Und dort hätte es besser für immer bleiben sollen.«
Georg sah Bess an und sagte: »So etwas darf nicht wieder geschehen, meine Liebe, wir müssen sicherstellen, dass das nicht wieder passiert.«
Sie nickte knapp.
George stand auf. Bess trat weiter nach hinten, so dass sie nicht länger zwischen den Sesseln stand. George ging langsam um Joachims Sessel herum und sagte: »Werter Jo, wie ich eingangs sagte, haben Sie und Ihr Freund mich sehr beeindruckt. Wirklich! Ich habe eine Schwäche für
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