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Titel: Mobile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Richter
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Verbrechen hin. Nun musste nur noch jemand den Toten finden, doch das war allein eine Frage der Zeit.
    Zufrieden verließ er den Raum. Er hatte weitere Punkte gesammelt. Er war auf einem guten Weg. Wenn er so weiter machte, würde er irgendwann sein Ziel erreicht haben und einer von ihnen sein.
     
    *
     
    Ihr Oberkörper war kerzengerade und ihre Füße schienen über den Asphalt zu fliegen, doch sie rannte nicht. Ohne hinzusehen gab sie dem Mann hinter dem Lenkrad des parkenden Citroën Kastenwagens ein knappes Zeichen. Er startete den Motor und fuhr knapp dreihundert Meter weit neben ihr her, die Nadel des Tachometers zeigte konstant fünfundzwanzig Meilen an. Plötzlich blieb sie stehen. Er stoppte den Wagen am linken Straßenrand, schaltete den Motor aus und sprang aus dem Wagen. Sie deutete in eine Richtung, und obgleich er nichts Ungewöhnliches entdeckte, nickte er. Er kannte ihre Rolle und er kannte seine Rolle, die Hierarchie ließ keine Fragen zu.
    Sie ging nun in einem gedrosselten Tempo weiter, dem er ohne weiteres folgen konnte, und nach nur wenigen Schritten konnte er ihr Ziel noch nicht sehen, aber bereits hören: Zwei aufgeregte Männerstimmen in einer Sprache, die er zuordnen konnte, aber nicht verstand. Kurz darauf tauchten die Umrisse der beiden Männergestalten auf. Ein knappes Zeichen von ihr, und er blieb stehen. Sie nicht. Sie ging weiter.
    »Was macht er, was macht er?«, rief Joachims ins Handy.
    »Hörst du das nicht?«, brüllte Carola unter Tränen. »Er schreit, als wenn man ihm das Herz herausreißt.«
    »Was sagt sie?«, fragte Michael. »Sie soll weitermachen!«
    »Nicki!«, schrie Carola plötzlich. »Raus hier, raus, ab in dein Zimmer - ich komm' gleich zu dir!«
    »Mama, was machst du?«, schrie Niklas. Er stand im Pyjama neben seiner Mutter, sah seinen Bruder entsetzt an und begann zu weinen. »Was ist mit Daniel los, Mama, wieso ist sein Gesicht so schief, warum schreit er so?«
    Joachim glaubte, ins Bodenlose zu stürzen. Er schloss die Augen - und sah sie daher nicht kommen.
    Michael hingegen schon. Doch ihm blieb keine Zeit des Reagierens, zu schnell war sie bei ihm und drückte ihren Daumen exakt auf die Stelle seines Oberkörpers, unter der das Herz schlug. Michael sackte wie vom Blitz getroffen zusammen. Nur einen Wimpernschlag später drückte sie Joachim den Zeigefinger tief in die Halsseite und legte den Daumen auf seinen Kehlkopf. Joachim erstarrte. Er versuchte, sich zu bewegen, aber es ging nicht - er war wie vollständig gelähmt. Sein Mund war fest verschlossen und seine Nase tief verstopft, nur die Augen und Ohren machten jetzt noch ihren Dienst. Joachim wurde von Panik ergriffen. Aus den Augenwinkeln sah er eine Frau, die sich erst eine Kapuze vom Kopf strich und ihm anschließend das Handy aus der Hand nahm. Sie hielt es an ihr Ohr und sagte ruhig mit Joachims Stimme auf Deutsch: »Das reicht jetzt! Leg' die Holzfigur auf seinen Körper, und wenn er eingeschlafen ist, verknotest du sie wieder mit dem Mobile. Ich melde mich bald bei dir.« Dann legte sie auf.
    Joachim meinte, den Verstand zu verlieren. Die Frau hatte exakt geklungen wie er. Wie hatte sie das gemacht? Alles in seinem Körper spielte verrückt, drehte sich und flatterte, doch es gab kein Ventil nach außen - er war wie in Beton gegossen.
    Die Frau nahm die Hand von Joachims Hals. Augenblicklich waren Nase und Mund wieder frei. Hastig atmete Joachim tief ein. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.
     
    *
     
    Carola erinnerte sich nicht, dass sie sich jemals zuvor in ihrem Leben so ausgehöhlt gefühlt hatte wie jetzt. Sie saß im Schneidersitz auf dem Fußboden in Daniels Zimmer, den Rücken an die Kommode gelehnt. Ihr Atem ging flach und sie war schweißgebadet.
    Daniel schlief. Über ihm hing das Mobile bewegungslos von der Zimmerdecke herab. Die abgetrennte Figur lag, mit Dutzenden von kleinen Löchern im Holz, auf seinem Bauch. Unmittelbar nachdem Carola die Figur dort hingelegt hatte, hatte Daniel sich beruhigt und kurz darauf war er eingeschlafen. Auch Niklas schlief wieder, Carola hatte ihm erlaubt, den Rest der Nacht im Ehebett zu schlafen.
    Was hatten sich Joachim und Michael bloß gedacht? Wie nur waren sie auf die Idee gekommen, der Figur Schaden zuzuführen? Und vor allem: Weshalb hatte sie mitgemacht? Sie hätte sich denken müssen, dass es für Daniel höchst gefährlich werden würde.
    Carola fragte sich, was die beiden gerade machten. Joachim nahm ihre Anrufe nicht entgegen. Das war kein

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