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Mobile

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Titel: Mobile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Richter
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gutes Zeichen. Ebenso wenig, dass Joachim vorhin das Gespräch so plötzlich beendet h atte. Und vor allem: Dass er dabei so ruhig und emotionslos geklungen hatte. Das alles war sehr seltsam. Irgendetwas stimmte bei ihm und Michael nicht.
    Carola gab sich einen Ruck und stand auf. Sie trat ans Bett heran und betrachtete ihren Sohn. Auf Daniels Lippen lag ein leises Lächeln. Er lächelte, weil die Holzfigur auf seinem Bauch lag, und bei dem Gedanken daran hätte Carola sich beinahe übergeben. Langsam nahm sie die Holzfigur von ihm herunter. Daniel schlief weiter. Sie betrachtete die Figur. So wie es aussah, waren die Farben nicht weiter verblasst, doch viel Farbe war ohnehin nicht mehr vorhanden.
    Carolas Blick wanderte zum Mobile. Sie stieß es an. Es bewegte sich nicht. Sie seufzte und fragte sich kurz, ob sie die Figur zurück auf Daniels Bauch legen oder tatsächlich wieder mit dem Mobile verknoten sollte, und schließlich verband sie die Figur mit dem Mobile, das sich selbst unter ihren vielen kurzen Handgriffen nicht bewegte. Erst nachdem der Knoten fertig war, begannen die Figuren zu tanzen - und wie es Carola vorkam, sehr viel wilder als es durch sie ausgelöst worden war.
    »Die Figuren freuen sich, dass sie nun wieder vollständig sind«, murmelte Carola, hörte ihren Worten nach und schüttelte den Kopf. Was redete sie da bloß?
    Sie ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Anschließend versuchte sie erneut, Joachim zu erreichen, doch er nahm den Anruf nicht an. Das bedeutete nichts Gutes, soviel stand fest. Unruhig kehrte Caro la ins Kinderzimmer zurück. Ihr erster Blick galt Daniel, der selig schlief. Der zweite galt dem Mobile. Carola glaubte, sie treffe der Schlag.
    Die ins Holz der Figur gestoßenen Löcher waren vollständig geschlossen.
     
    *
     
    Eine lange Auffahrt führte zu dem einsam am Hang gelegenem Haus. Der Fahrer schaltete die Scheinwerfer des Kastenwagens aus, als das Haus im Lichtkegel auftauchte, um sogleich wieder von der Dunkelheit verschluckt zu werden. Der Fahrer kannte die Auffahrt genau, es machte für ihn keinen Unterschied, ob es taghell oder stockfinster war.
    Als er den Wagen vor dem Haus stoppte, öffnete sich die Eingangstür und eine Frau trat einen Schritt auf die Veranda heraus. Das aus der Türöffnung fallende Licht zeigte von ihr nicht mehr als ihre Silhouette.
    Der Fahrer stieg aus dem Wagen und atmete tief ein. Er konnte den Atlantik riechen, der nur dreihundert Meter entfernt auf das Land traf. Er stieg die sechs knarrenden Holzstufen zur Veranda hoch. Als er der Frau gegenüberstand, verfluchte er das Gegenlicht, das ihm den Blick auf ihr Gesicht verwehrte. Er wusste wie sie aussah, glaubte, jeden Millimeter ihres makellosen Gesichts zu kennen. Er konnte nicht genug davon bekommen, sie anzusehen, umso mehr, da er wusste, dass sie für ihn auf ewig unerreichbar blieb. Sie spielte in einer anderen Liga als er.
    »Sie sind im Wagen«, sagte er mit leichter Nervosität, obgleich ihm klar war, dass sie es wusste. Sie wusste alles.
    »Danke«, sagte sie mit kühler Stimme. »Bitte bringe sie in den Salon.«
    Er nickte und kehrte zum Fahrzeug zurück. Die Frau verschwand im Haus. Er öffnete die Hecktür und die Innenbeleuchtung ging an. Drei schmale Pritschen waren nebeneinander fest in den Boden montiert. Auf je einer lagen Joachim und Michael. Sie waren mit Gurten festgeschnallt und ohne Bewusstsein.
    Der Mann schnallte Joachim ab. Dann hob er ihn hoch und schulterte ihn, als wiege er nichts. Er trug ihn ins Haus hinein und weiter in den Salon, setzte ihn auf einen der im Halbkreis angeordneten schweren Ledersessel. Anschließend holte er Michael und setzte ihn in den Sessel daneben. Dann verließ er das Haus, schloss die Hecktür des Kastenwagens und setzte sich hinters Steuer. Er fuhr den Wagen hinters Haus, schaltete dem Motor aus und begann zu warten. Wie lange und worauf er wartete, wusste er nicht. Er würde es erst erfahren, wenn das Warten endete. So wie immer.
     
    Sie sah ihn fragend an und er nickte knapp. Daraufhin stellte sie sich zwischen die beiden Sessel und berührte mit den Kuppen der Zeigefinger Joachims und Michaels Schläfen.
    Sofort schlugen sie die Augen au f und sahen sich verwundert um.
    Sie befanden sich in einem vertäfelten Raum, den Dutzende Kerzen in sanftes Licht tauchten. Ein langgezogener offener Kamin nahm viel Platz ein. An einer Wand stand ein prachtvoll verzierter gotischer Reliquienschrein, an einer anderen Wand hing

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