Model-Ich (German Edition)
Das hat gesessen. Es war nett gemeint und in dem, was sie sagte, lag Bewunderung und Respekt. Trotzdem konnte ich nicht anders, als zu denken: »Kindchen, komm du mal in mein Alter, dann wirst du sehen, wie blöd und verletzend das gerade klang.« Mit 30 darf man sich ja wohl ein wenig Bissigkeit erlauben, oder?
DROGEN
DIE FRAGE KOMMT ZWAR IMMER WIEDER, aber ich bin wirklich die Falsche, um über Drogen im Modegeschäft auszupacken. Ich habe nie welche genommen und daher auch nicht mitbekommen, wenn andere sie nahmen. Da musste mich schon meine ältere Schwester Dani aufklären. Als sie mich einmal zu einem Fotoshooting in Paris begleitete, kam sie ganz aufgeregt zu mir: »Die Stylistin und der Fotograf sind gerade zusammen auf die Toilette gegangen!« Meine Reaktion darauf: »Echt? Und was glaubst du machen die da?« Dani rollte bloß mit den Augen.
Mit Anfang 20 habe ich es nicht hinterfragt, wenn Leute bei der Arbeit, sagen wir mal: extrem begeisterungsfähig waren. Ich wusste ja nicht, woran man einen Koksrausch erkennt. Für meine Naivität bin ich im Nachhinein dankbar. Denn ich verstehe inzwischen, wie verführerisch es sein kann, dabei mitzumachen. Der Stresspegel ist konstant hoch und man arbeitet zu unmöglichen Zeiten unter großem Druck, gleichzeitig wird die ganz Zeit auf Party gemacht. Meiner Agentur in Deutschland war das nur zu bewusst. Bevor ich zum ersten Mal nach New York ging, haben sie mir zur Abschreckung lauter Geschichten über die Exzesse der 90er-Jahre erzählt, als es in Manhattan wild zugegangen sein muss. Dann steckten sie mich sicherheitshalber auch noch in eine Wohnung mit Mädchen, die ähnlich brav waren wie ich.
Als ich in New York ankam, wurde mir klar, warum die Modeszene hier einen so notorischen Ruf hatte. Schließlich wurde man ständig zum Feiern eingeladen. Nach einem Casting standen
fast immer ein paar Party-Promoter vor der Tür, die von den Clubs dafür bezahlt wurden, möglichst viele hübsche Mädchen einzuladen. Daran konnte man sich gewöhnen. Wir mussten nicht anstehen, wir mussten keinen Eintritt zahlen, wir bekamen unsere Wodka Cranberries umsonst. Wir mussten auf unserem Platz hinter der Samtkordel noch nicht einmal besonders schick aussehen, nur wie Models. Einer der Promoter, mit dem ich mich in New York angefreundet hatte, schickte mir zum Geburtstag eine Limousine vorbei, die mich und die Mädels, mit denen ich feierte, zum Club brachte. Total kitschig, aber irgendwie war es auch schmeichelhaft, so hofiert zu werden. Da gab es sicher auch Mädchen, die zu dem, was neben Drinks und Aufmerksamkeit angeboten wurde, auch nicht Nein sagten und dann zwei Nächte lang durchfeierten. Ich lag meistens um Mitternacht im Bett.
Meine Partyzeit kam erst mit Mitte 20, nachdem wir nach Berlin gezogen waren und als ich anfing, Musik zu machen. Da war es normal, dass ich an zwei Tagen in der Woche erst um sieben Uhr morgens ins Bett ging, gerade wenn wir auf Tournee waren. In der Musik- und besonders in der Clubszene ist das Thema Drogen noch präsenter als im Modegeschäft und wird viel offener ausgelebt. Ich bin einigermaßen überrascht, wie oft ich vor Gigs gefragt werde, ob ich denn noch »Etwas« bräuchte, um »zu feiern«. Nein, Danke. Ich habe schon vor langer Zeit entschieden, einigermaßen gesund zu leben. Ich trinke keinen Kaffee, rauche nicht, gehe regelmäßig zum Sport und ernähre mich bewusst. Warum sollte ich mir das am Wochenende durch ein paar Gramm Chemie wieder kaputt machen?
Ich will mich hier nicht als Moralapostel aufspielen (was in der Clubszene übrigens gar nicht gut ankommt), denn jeder muss seine eigenen Entscheidungen treffen und Fehler machen. Wenn ich heute Abend weggehe und erst morgen früh wieder zu Hause bin, dann weil ich mich wahnsinnig gut amüsiert habe.
Weil mir die Musik gefiel, der DJ, den ich unbedingt hören wollte, erst um 5 Uhr aufgelegt hat und ich danach noch mit Freunden in der Dönerbude versackt bin. Das muss ich nicht jedes Wochenende erleben. Es sind Ausnahmeabende, die ohne Drogen viel länger in Erinnerung bleiben.
ESSEN
ICH BIN DURCHS MODELN ZUM ESSEN GEKOMMEN. Verrückte Geschichte, stimmt aber. Und so fängt sie an: Während meiner Zeit in Mailand hatte ich einen Fahrer, der nichts mehr liebte, als zu essen. Normalerweise ist es den Chauffeuren, die einen durch die Gegend kutschieren, relativ egal, wann und ob man überhaupt isst. Da man zwischen Terminen meistens kaum Zeit hat, Essenspausen einzulegen,
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