Model-Ich (German Edition)
erwachsener und verantwortungsvoller als noch mit Anfang 20. Weniger ungeduldig und von Selbstzweifeln geplagt. Nicht mal älter, einfach gereifter (obwohl reif nicht unbedingt das erste Wort ist, mit dem eine Frau beschrieben werden möchte). Ich war in einem neuen Kapitel meines
Lebens angekommen und freute mich darauf, herauszufinden, wie es weitergehen würde. Um den großen Geburtstag machte ich mir deshalb keine großen Gedanken. Ich hatte gute Freunde, eine tolle Familie, ein Haus in Berlin und meine zwei Hunde. Eine 3 vorn beim Alter würde daran nichts ändern.
Die Medien sahen das allerdings anders. Auf einen Schlag gab es unzählige Interviewanfragen von Zeitungen und Magazinen. Die Aufmerksamkeit war bizarr. Ich hatte nichts Besonderes erreicht, war nicht mit einem dahergelaufenen Fußballer in die Kiste gestiegen oder hatte einen schlimmen Schicksalsschlag erlitten. Ich hatte das Gefühl, alle würden etwas von mir erwarten. Nur was? Dass ich mich unters Messer legte? Dass ich mit dem Modeln aufhörte und mich stattdessen als Charity-Lady betätigte? Dass ich einen Nervenzusammenbruch erleiden würde? Ich hatte gar nicht vor, mein Leben zu ändern. Das große Interesse konnte ich mir nur damit erklären, dass Model nicht als echter Beruf wahrgenommen wird. Eher schon als glamouröses Hobby, bei dem man viele Flugmeilen sammelt. Man kann seinen Job nicht mal mit kommerziellem Erfolg rechtfertigen. Denn jeder weiß: Das geht nicht ewig weiter und dann musst du was »Richtiges« machen.
Selbst habe ich nie ernsthaft darüber nachgedacht, was mal wird, wenn dieser Teil meines Berufslebens vorbei ist. Mein Mann Niklas hat mich schon mit Anfang 20 gefragt: »Willst du dir nicht mal überlegen, was du mit deinem Leben machen möchtest?« Ich hatte darauf keine Antwort, außer: Mir gefällt das, was ich jetzt mache. Aber er war einfach besorgt und das konnte ich wiederum verstehen. Die Unsicherheit begleitet einen als Model dauernd. Vielleicht klingt »Die Karriere von Eva Padberg« für mich daher manchmal nach mehr, als es eigentlich ist. Ich konnte nie einen Fünfjahresplan aufstellen. Das Geschäft ist sehr willkürlich und unbeständig, so viel hängt vom Zufall ab. Wäre ich zum Beispiel nicht gerade in Paris gewesen, als ein Mädchen
für die Eres-Werbung gesucht wurde, hätte ein anderes Mädchen den Job bekommen. Aber so wurde die Kampagne zu meinem Durchbruch.
Aus solchen Chancen etwas zu machen, liegt dann an einem selbst. Dass ich nun schon so lange als Model arbeite, ist eben nicht bloß reine Glückssache. Ich bin gut darin. Und wenn mich dieser Job irgendwann nicht mehr reizt, dann gibt es andere Dinge, mit denen ich mich gerne beschäftige. Die Musik zum Beispiel und das Schauspiel. Niklas fragt schon lange nicht mehr, welchen Beruf ich mal ergreifen möchte. Er sieht, wie viel Spaß mir das Modeln macht und welche Möglichkeiten sich daraus für mich ergeben.
Statt aus meinem 30. Geburtstag eine große PR-Nummer zu machen, entschied ich mich dazu, nur mit einer großen Tageszeitung über mein hohes Alter zu sprechen. Ich hatte das Bedürfnis, denen, die es interessiert, zu erklären, dass das Leben einer Frau nicht mit 30 aufhört – auch nicht, wenn sie als Model arbeitet. Dafür gibt es schließlich genügend berühmte Beispiele, allen voran Claudia Schiffer, die mit jedem Jahr besser aussieht. Ich will hier aber niemandem was vormachen. Es gibt plötzlich Falten in meinem Gesicht, die nicht mit dem Aufwachen verschwinden, und an manchem Morgen stehe ich vor dem Spiegel und denke: Himmel, bist du alt geworden! Ich hatte auch schon mal volleres Haar. Ich muss mehr darauf achten, wie ich mich ernähre. Ich gehe jetzt öfter zum Sport als früher (also ein Mal die Woche statt kein Mal). Der Vorteil daran ist, dass ich heute fitter bin als mit Anfang 20. Ich bilde mir ein: Wenn ich vier Mal die Woche zum Cardio rennen würde, würde ich noch mehr Arbeit bekommen. Aber mir sind jetzt einfach andere Dinge wichtiger. Meine Freunde zu sehen. Zeit zu Hause zu verbringen. Ein Privatleben zu haben.
Es war schön, 20 zu sein. Aber das Ganze noch mal machen? Nein, Danke. Manchmal sehe ich meiner Vergangenheit direkt
ins Gesicht, wie neulich bei einem Fotoshooting mit zwei 17-jährigen Mädchen. Wir unterhielten uns und eines der Mädchen sagte plötzlich: »Die Visagistin hat mir gerade erzählt, dass du schon dreißig bist. Wow, in dem Alter möchte ich auch noch so toll aussehen!« In dem Alter?
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