Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
den Vorbereitungen Begeisterung zeigen. Und es darf mir nichts ausmachen, dass Harry auszieht und Mum und mich alleine lässt in diesem großen Haus, das Vicente uns so großzügig überlassen hat. Und vielleicht sollte ich wirklich mal von der Yacht eines Verwandten springen und irgendeinem standesgemäßen Heiratskandidaten meine »hübschen Beine« zeigen und alle glücklich machen. Und dann lasse ich mich mit dem standesgemäßen Heiratskandidaten in seiner vollgestopften Wohnung in irgendeiner standesgemäßen Gegend nieder und arrangiere Blumengestecke. Juhu.
Um mich abzulenken, lese ich meine E-Mails und sehe mir Edies Website an.
In Edies Blog steht alles über ihre jüngste Spendenkampagne zur Anschaffung von Computern für die Schulen in Mumbai und in Krähes Dorf in Uganda, die wir unterstützen. Ich sage »wir«, dabei macht Edie die meiste Arbeit, und zwar neben dem Orchester, ihren Glanzleistungen in der Schule, dem Debattierclub und den gelegentlichen Fünfminutenpausen, in denen ihre Mutter sie zum Essen zwingt.
Ich habe eine E-Mail von der kleinen Lakshmi, dem Mädchen in Indien, das ich, so gut es von hier aus geht, unter meine Fittiche genommen habe. Lakshmi will Modeschöpferin werden wie Krähe und arbeitet hart dafür. Die Tatsache, dass sie als Straßenkind in Mumbai Bücher verkaufen muss, um ein Dach über dem Kopf zu haben (sie ist erst neun), hält sie kein bisschen davon ab. Immer wenn sie es schafft, jemanden zu überreden, sie an einen Computer zu lassen und für sie zu tippen, ist sie online, und sie hat natürlich längst ihre eigene Meinung zu den neuesten Mode-Kollektionen.
Die nächste E-Mail ist steif und förmlich und kommt von den Kamelhaarmännern, die mich um Krähes E-Mail-Adresse bitten, weil sie sie »über die gängigen Kanäle« nicht erreichen können. Ich weiß nicht, was die gängigen Kanäle sind, aber ich informiere sie, dass Krähe keine E-Mail-Adresse hat. Im Gegensatz zu Lakshmi hasst Krähe Computer und macht den größtmöglichen Bogen um sie. Dasselbe gilt mehr oder weniger für Telefone. Ich regele die Kommunikation für sie, und daher müssen die Kamelhaarmänner mit mir vorliebnehmen, wenn sie irgendwas von Krähe wollen. Ha! Ich hatte vielleicht einen Cappuccino-Milchbart (oder war es der Kimono?), doch sie kommen nicht um mich herum.
Ich wünschte nur, ich hätte besser zugehört, als sie in Paris mit uns geredet haben. Wahrscheinlich haben sie uns superwichtige Dinge erklärt, aber das einzige Wort, an das ich mich erinnere, ist »Anlageinstrument«, das nach »Rentenanpassung« und »Steuerabzugsfähigkeit« die schnellstmögliche Hirnabschaltung bei mir auslöst. Wollen sie sich mit Krähe anlegen? Wollen sie mit ihr Instrumente entwerfen? Ist ihnen klar, dass Krähe hauptsächlich Minikleider macht? Ich muss wohl auf die nächste E-Mail warten, um mehr herauszufinden.
Ich gehe runter, um nachzusehen, ob Krähe noch arbeitet, damit ich ihr davon erzählen kann. Es ist zwar schon spät und sie sollte längst zu Hause sein, aber bei Krähe weiß man nie. Doch als ich vor ihrem Atelier im Keller stehe, ist das Licht aus. Alles ist still. Sieht aus, als wäre sie ausnahmsweise früh ins Bett gegangen.
Ich mache das Licht an – ich kann nicht anders –, und das Atelier wird in mehrere Lichtflecken getaucht. Ich schaffe es einfach nicht, hier herunterzukommen, ohne einen Blick darauf zu werfen, was Krähe so macht. Bis letzte Woche hat sie an ein paar Rock-Chick-Outfits gearbeitet, in denen die It-Girls, die bei ihr einkaufen, auf die coolsten Partys gehen. Doch jetzt sind die Schneiderpuppen nackt. Erst als ich an ihren Arbeitstisch gehe, finde ich, woran sie seit Paris tüftelt.
Der Tisch ist voller Skizzen desselben Mädchens – goldener Lockenkranz, graugrüne Augen – in verschiedenen Varianten des gleichen Kleids. Der Rock ist ausgestellt und wadenlang. Tatsächlich besteht er aus mehreren Röcken, Spitze oder Tüll, wie es aussieht, und das ganze Kleid ist über und über mit Rosenknospen bestickt. Es sieht aus wie das Kostüm aus einem romantischen Ballett.
Natürlich soll das Mädchen Isabelle sein, aber erst als ich den kleinen Rosenstrauß entdecke, den sie hält, verstehe ich, worum es geht. Es ist ein Brautkleid. DAS Brautkleid. Das Kleid, das den Anfang aller Veränderungen markiert.
Hat Isabelle wirklich Krähe gebeten, ihr Brautkleid zu entwerfen? Es wird garantiert in den Schlagzeilen landen, und alle Modeschöpfer reißen
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