Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
Wenn euer Haus ganz in Weiß gehalten ist, bis auf ein paar hochsensible Kunstwerke an den Wänden, die Geschenke von alten Freunden und unglaublich wertvoll sind, seid ihr nicht besonders scharf darauf, es mit schmutzigen Schuhen und Alkohol-gefüllten Gläsern zu füllen – oder, wie andere sagen würden, mit Gästen.
Um fair zu sein, wenn Mum eine Party macht, dann richtig. Sie hat eine Agentur angerufen, die in letzter Minute Deko und Cocktails zauberte, und als ich am Freitag von der Schule komme, sind sie gerade dabei, überall Lampions aufzuhängen und in unserem Wohnzimmer eine Mini-Disco einzurichten. Am Samstagmorgen ist jeder Quadratzentimeter in der Küche mit Kisten voller Gläser und Tabletts voller Kanapees zugestellt, und ich muss meinen Toast auf der Treppe essen.
Es ist praktisch, einen hauseigenen DJ zu haben. Harry ist in seinem Zimmer damit beschäftigt, die Playlist aller Playlists zusammenzustellen. Es ist erst das zweite Mal, dass er vor seinem Vater auflegt. (Das erste Mal war bei der Fashion Week in Rio letztes Jahr, und nein, ich habe den Belles nicht erzählt, dass mein Bruder dort aufgetreten ist.) Man könnte meinen, dass er mit dreiundzwanzig und einem gut laufenden Job langsam Lust bekäme, von zu Hause auszuziehen, aber anscheinend ist er bis jetzt noch nicht mal auf die Idee gekommen. Er ist ständig in der Welt unterwegs, und wenn er sich eine Wohnung nehmen würde, wäre die sowieso immer leer. Außerdem ist er meistens mit irgendeinem Supermodel zusammen, falls er also mal irgendwo Cooles pennen will, kann er es in einer ihrer Wohnungen tun. Und unser Haus ist richtig schön.
Es ist schon schön, wenn nur Mum, Harry, Krähe und ich da sind und jeder leise in seinem Zimmer herumkramt, ohne viel miteinander zu reden. Aber wenn es für eine Party herausgeputzt wird, ist unser Haus ein Traum. Ich spaziere herum, sehe mir die Lampions und die Disco-Kugeln an (es gibt mehrere), die bunten Lampen und die Blumenvasen. Auf einmal ist alles voll mit weißen Rosen. Mum erzählt, dass Vicente ihr hundert geschickt hat – weiße Rosen sind ihre Lieblingsblumen –, als kleines Begrüßungsgeschenk.
Krähe kommt, um an ein paar neuen Kleidern zu arbeiten. Wenn sie gerade keine Aufträge von Privatkundinnen hat, näht sie für einen Stand auf dem Portobello-Markt. Ihre experimentellen Schnitte und schmeichelnden Linien kommen super bei den Leuten an. Wer hört nicht gern: »O mein Gott! Du siehst fantastisch aus! Wo hast du das her?« Und das passiert ständig, wenn man Krähes handgemachte Meisterwerke trägt. Die Verkäuferin vom Portobello-Markt braucht dauernd Nachschub.
Ich nutze die Chance und sehe mir noch mal die Skizzen an, die sie für Isabelle gemacht hat.
»Ist das das Brautkleid?«, frage ich. »Es sieht … toll aus.«
Krähe stellt sich neben mich. »Ach, das ist nur so hingekritzelt. Ich war mir nicht sicher. Irgendwie passen sie nicht zu Isabelle, oder? Ich wollte was Romantisches, aber ich glaube, ich habe es übertrieben.«
»Aber du entwirfst ihr Kleid?«, hake ich nach. »Isabelle hat dich gefragt?«
Krähe nickt. »Auf dem Rückweg von Paris. Hab ich dir das nicht erzählt? Sie will drei Kleider für die verschiedenen Feierlichkeiten haben, und eins davon soll ich machen.«
»Nein, hast du nicht erzählt. Toll!«
Warum kann ich nicht mehr Begeisterung aufbringen, wenn es um Harrys Hochzeit geht? Was ist mit mir los? Und warum will ich unbedingt das Thema wechseln?
»Diese Männer haben sich übrigens noch mal gemeldet«, sage ich. »Die mit den Kamelhaarmänteln.«
»Ach«, sagt Krähe. »Was wollten sie denn?«
»Deine E-Mail-Adresse.«
Sie grinst. Sie findet es gut, dass sie keine hat. Wenn sie eine hätte, müsste sie über Dinge wie Anlageinstrumente reden. Stattdessen steht sie zwei Minuten später an ihrem Arbeitstisch und feilt an neuen Entwürfen für Isabelle.
Ich lasse sie tüfteln. Ich habe selber ein Kleidungsproblem, an dem ich arbeiten muss. Heute Abend muss ich Mums und Harrys Freunde mit meinem unglaublich smarten Stil beeindrucken. Wahrscheinlich haben das Kimono-Foto mehr Leute gesehen, als mir lieb ist, und ich muss alles geben, um das wiedergutzumachen. Dass auch Isabelles Freunde da sein werden, versuche ich auszublenden, denn davon sind neunzig Prozent Models. Schon in der normalen Welt bin ich ein pfannkuchengesichtiger Zwerg mit dunklem Flokatihaar. Neben den Durchschnittsgästen heute Abend werde ich ernsthaft verwachsen
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