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Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Titel: Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Bittermann
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gut zu finden, er mir sogar völlig egal und das Gemüse auch nicht gut ist.
    Dann soll ich auf einer Skala von 1 bis 5 bewerten, ob es mir zu laut, zu hektisch, zu multikulti und zu verkehrsreich sei. Woher soll ich das denn wissen? Also schalte ich meinen inneren Zufallsgenerator an. Wer immer aufgrund solcher Fragebögen irgendwelche Meinungen erforschen will, dem werden meine Antworten ein Rätsel sein.
    Ich glaube, ich bin kein guter Staatsbürger. Ich gebe mir bei Meinungsumfragen keine Mühe und finde die vom Spiegel als Berichterstattung getarnten Gerüchte tendenziös. Nachdenklich gehe ich nach Hause.
    Am Kottbusser Tor fummeln zwei Junkies an einem Minicomputer mit Minitastatur herum. Sie versuchen gerade übers Internet mit Frau Wagenknecht anzubandeln.
    Ich finde, man sollte das Kottbusser Tor so lassen, wie es ist.

Unibesetzung
    Ein bisschen betreten stehen ungefähr zweihundert Studenten auf dem Hinterhof der HumboldtUniversität herum. Sie ist besetzt. Aber ich weiß nicht, woran man das eigentlich erkennen soll, außer an den Transparenten, die das mal so einfach behaupten. Man will eine werbefreie Uni, aber soviel Werbung kann ich auf dem Campus gar nicht erkennen. Auch das Transparent mit der Aufschrift »Wir sind gekommen, um zu bleiben« gibt mir Rätsel auf. Wer will hier denn schon bleiben?
    Na gut, ich könnte mich auch fragen, warum ich überhaupt gekommen bin. Aber da bin ich fein raus, denn ich bin wegen Toni Negri gekommen, der vor den Studenten eine Rede halten soll. Ich dachte, er wäre umringt von Menschen, die alle etwas von ihm wollen oder ihn wenigstens anhimmeln, denn schließlich ist er eine Berühmtheit, eine Ikone, ein Popstar unter den politischen Theoretikern, aber er steht fast ein wenig verloren herum, und ich kann ihm sogar die Hand geben. Aber das war’s auch schon. Mir fällt nichts mehr ein, weil ich mir nicht überlegt habe, was ich ihm sagen könnte. Wir stehen uns freundlich lächelnd wie alte chinesische Bauern gegenüber. Jemand holt ihm ein Glas Wein, und ich frage mich, ob ich ihn nicht vielleicht warnen sollte, denn wenn etwas Kopfschmerz macht, dann studentischer Wein. Aber bis der Gedanke zur Tat wird, hat Negri das Glas schon ausgetrunken.

    Langsam wabert die Masse auf den Hegelplatz vor dem Unigelände und jemand erklärt Negri, dass das jetzt ein bisschen illegal ist, weil die Kundgebung nicht angemeldet sei und man das sichere Unigelände verlassen habe. Ein Vorredner bezeichnet die Besetzung als »dramatischen Schritt«. Obwohl jede Menge Wannen in der Gegend stehen, kann ich nichts Dramatisches an dieser Situation erkennen. Dann endlich wird Toni Negri angekündigt, der »ja auch ein alter Hase im Geschäft« sei. Wieso auch? Und was für ein Geschäft? Der »alte Hase« legt die Ohren an und los, anfänglich etwas verhalten, aber dann zunehmend mit Emphase.
    Danach werden Maschinenpistolen an die Massen verteilt, um im Hotel Adlon ein paar Entscheidungsträger zu entführen, die sich dort Gedanken über die Zukunft des Landes machen. Mit Negri mache ich mich aus dem Staub. Für solche Sachen sind wir zu alt. Ich bin froh, dass ich zu alt bin. Auch wenn die Maschinenpistolen aus Pappe sind. Oder haben Sie jetzt tatsächlich gedacht, die wären echt gewesen?

Literaturkritik
    In einem Kreuzberger Frühstückscafé in Ruhe die Frühstückszeitung Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung lesen zu können, gehört zu den modernen Mythen des Kreuzberger Alltagslebens. Erstens, weil Peter Richter von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung nur darauf wartet, dass ich in einem Kreuzberger Frühstückscafé sitze und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung lese, damit ich seine Häme über mich und das von mir herausgegebene Buch »Unter Zonis. Zwanzig Jahre reichen jetzt so langsam mal wieder« mitkriege, das ihn offenbar persönlich beleidigt hat. Dabei kenne ich Peter Richter gar nicht. Jedenfalls ist er etwas missgünstig gestimmt: »Der offenbar nicht ohne Grund sich so nennende Bittermann sieht aus wie eine verlotterte Oma.«
    Hui, da war aber jemand sehr angefressen. Ich bin sehr beeindruckt von dem außergewöhnlichen Niveau der Literaturkritik in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, das höchstens noch die BamS erreicht, die den Walser-Biograph Jörg Magenau als »Jörg Gaggenau« bezeichnete. Da hat es der offenbar nicht ohne Grund sich so nennende Peter Richter ja noch gut mit mir gemeint, als er wenigstens meinen Namen richtig

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