Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)
ich großzügig. Er schreibt: »Für Gott.« Ich finde das eine sehr schöne Widmung.
Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Nadja lädt mich in das »Raclette« in Kreuzberg ein. »Kenn ich nicht«, sage ich. »Ich auch nicht, soll aber toll sein«, sagt sie. Aus besonderem Anlass trägt sie Pelz, vielleicht auch wegen der Kälte. Wir werden vom Wirt persönlich in Empfang genommen, ein dynamischer Jungmann mit dynamischer Jungsfrisur.
Als erstes will er die Pelzjacke von Nadja in den Kamin feuern, weil er Mitglied von PETA ist. Nadja kann das gerade noch verhindern, indem sie beteuert, der Pelz sei gar nicht echt. »Aber auf der Karte Froschschenkel anbieten«, flüstert mir Nadja zu. »Ich kann mir schon denken, warum der bei PETA ist«, flüstere ich anspielungsreich zurück, denn wir befinden uns unter Beobachtung des Wirts, der, wie mir Nadja zuraunt, früher mal bei »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« mitgespielt habe, und das sei ja wohl ganz unten. Ich nicke wissend, obwohl ich die Sendung gar nicht kenne, mir also auch kein Urteil anmaßen kann.
Der »Gute-Zeiten«-Mann kommt ständig an unseren Tisch, schenkt nach und will wissen, wie es schmeckt. Langsam maße ich mir doch ein Urteil an. Der Kamin und die kleinen Raclette-Öfchen tun ganze Arbeit. In dem kleinen Raum herrschen gefühlte fünfzig Grad. Mir läuft der Schweiß in die Schuhe.
Der »Schlechte-Zeiten«-Mann hat nur noch ein Unterhemd an. Er glaubt, dass die Gäste sich unbedingt seinen verschwitzten Oberkörper ansehen möchten. Er glaubt außerdem, dass seine Gäste unbedingt seine Fähigkeiten als DJ bewundern wollen. Er beamt den Raum in die 80er zurück, in die Zeit von »La Boum«. Der Schmalz von »Dreams are my reality« rinnt dickflüssig von den unverputzten Wänden.
Zwei dahinschmelzende Backfische bitten mich, ein Foto von ihnen und dem Wirt zu machen. »Nicht dass du denkst, wir sind Touris. Wir sind aus Berlin, aber wir finden ihn sooo toll«, sagen sie. Ich habe nichts gegen Touris, ich war schließlich auch schon mal einer. Oder sagten sie Tussis?
Unvergessliche Literatur
Autorinnen werden immer jünger, wie ich aus meiner täglichen Zeitungslektüre erfahre. Helene Hegemann zum Beispiel. Wer ist sie überhaupt?, frage ich mich und lese auch schon in der Zeitung: »Wer ist sie überhaupt? Keine Ahnung, es interessiert mich nicht. Aber wenn Sie unbedingt etwas über sie wissen wollen – sie soll 17 und Tochter eines berühmten Berliner Intellektuellen sein, und einen Film hat sie auch schon gemacht –, dann googeln Sie es doch selbst. Ich bin hier nicht für Klatsch und das Verbreiten von Verlags-PR zuständig, sondern für große, unvergessliche Literatur.« So genau wollte ich es auch wieder nicht wissen, weshalb ich mir das Googeln spare.
»Kannst du mal die Zeitung weglegen«, sagt Miss Trixie. Sie ist acht und heißt eigentlich anders. Aber wenn Sie unbedingt mehr wissen wollen: Sie war schon mal Hauptfigur eines von Rudi Hurzlmeier illustrierten Kinderbuches mit dem Titel »Der Aufstand der Kuscheltiere«. Woher ich das weiß? Ich hab’s geschrieben. Ihr Vater soll ein berühmter Berliner Verleger sein. Ich lege die Zeitung weg. Es ist eine großformatige Zeitung für Deutschland. »Willst du meinen Roman lesen?«, fragt Miss Trixie.
Klar will ich. Mit vier hat sie ihren ersten geschrieben, bestehend nur aus a, o, u und l. Da kann George Perec aber einpacken. Der hatte es gerade mal geschafft, einen Roman ohne e zu schreiben.
Inzwischen hat sich Miss Trixie weiterentwickelt. Der Roman heißt »Der lebende Locher«. Über folgende Stelle musste ich sehr und lange lachen, so lange wie noch bei keinem anderen Roman, nicht mal bei »Axolotl Roadkill«, und da habe ich auch lange gelacht: »Ich durfte noch zehn Minuten was machen. Ich wußte nicht genau, was ich machen sollte. Naja, was soll’s. Zehn Minuten gehen sowieso schnell rum.«
Finden Sie nicht lustig? Sie haben ja auch keine Ahnung von großer Literatur.
Berlinale
Ständig läuft man irgendwelchen Prominenten aus der Filmfestspielbranche über den Weg. Die müssen ja auch mal in eine Kneipe gehen, wenn gerade nichts von ihnen selber im Kino läuft. Ich allerdings würde nicht mal Prad Pitt erkennen, weil er vermutlich in Wirklichkeit nur 1.60 groß ist. Denke ich mal.
Ich sitze also im »Florian« am Heinrichplatz neben einem berühmten spanischen Regisseur und seiner Geliebten, wie mir Jürgen zuflüstert, der aber gar nicht flüstern müsste, weil der
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