Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)
immer noch einigermaßen konfus war.
Monica wandte sich ihm wieder zu.
Harry musste ein sehr verwirrtes Gesicht gemacht haben, denn die kleine Krankenschwester lachte laut auf.
„Nun schauen Sie nicht so, Harry Romdahl . Ich bin sicher, es wird sich alles klären. Schon sehr bald ...“
Ein leises Ping verriet, dass sie das gewünschte Stockwerk erreicht hatten. Über der sich öffnenden Tür leuchtete eine große weiße Null.
Romdahl wurde über einen weiteren eintönig weißen Flur geschoben, der vollgestellt war mit diversen Werkzeugen, Gerätschaften und Baumaterialien. Abgesehen von ihnen bewegte sich kein Mensch hier. Der Gang war komplett ausgestorben. Das machte Harry stutzig.
„Hier wird im Augenblick umgebaut“, erklärte Monica. „Im Moment ist Mittagspause. Die Bauarbeiter belagern vermutlich wieder die Kantine oder lungern rauchend im Innenhof herum.“
„Hier befindet sich die Radiologie?“, fragte Harry und konnte es kaum glauben.
„Ja, ja. Sie wird in ein paar Monaten hierher verlegt“, antwortete Monica und schob ihn unbeirrt den Gang hinunter. Am Ende des Flurs erreichten sie eine breite orangefarbene Tür. Monica zückte einen Schlüsselbund und öffnete sie.
„Sagen Sie ihr, dass das hier ein einmaliger Gefallen gewesen ist. Ich riskiere meinen Job, wenn ich andauernd Leute unbefugt aus ihren Zimmern entführe. Um den anderen muss sie sich leider selbst kümmern, ist nicht meine Station, nichts zu machen. Ach übrigens, nur Ihre dicke Zehe konnten wir nicht retten, aber der Rest verheilt sehr gut. Das sagt jedenfalls Ihre Krankenakte. Sie haben also keine ernsthaften Verletzungen von Ihrer kleinen Abenteuertour auf die Sandbank erlitten. Zumindest nichts, das nicht in den nächsten Wochen vollständig verheilen wird, hatten beinahe so viel Glück wie der andere Typ. Der hat kaum einen Kratzer davongetragen. Na ja, wie auch immer. Passen Sie in Zukunft besser auf Ihre Zehen und Ihren Kopf auf.“
Mit diesen Worten schob sie das Bett in den Raum, sagte noch kurz: „Tschüss, Harry Romdahl . Alles Gute für Sie. Vielleicht können wir an einem anderen Tag mal einen Kaffee zusammen trinken, wenn es besser passt. Würd‘ mich freuen“, zwinkerte ihm zu, und ließ die Tür ins Schloss fallen, ehe Harry seiner gesamten Verwirrtheit über die Situation und Monicas Aussagen in irgendeiner Weise kundtun konnte.
Was ist mit der Untersuchung? Welcher andere Kerl? Was passiert hier? Und wo zum Teufel bin ich?
Der Raum war stockfinster. Durch die Dunkelheit hörte er, wie ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und mehrmals herumgedreht wurde. Monica hatte ihn eingeschlossen. Das gefiel Harry nicht und es gefiel ihm noch viel weniger, als er hörte, wie ihre Schritte durch den Flur davoneilten.
Einige Zeit blieb er still sitzen und horchte, aber nichts schien zu geschehen. Das verursachte ein mulmiges Gefühl in seiner Magengegend.
Herrje! Ist das wieder eine Falle? Bitte nicht, ich habe genug Scheiße durchgemacht für ein ganzes Leben. Nein, zwei ganze Leben!
Panik stieg in ihm auf, die auch das Schmerzmittel nicht verhindern konnte. Er setzte sich im Bett auf und stierte ins Nichts. Es gab kein Fenster, keine Lichtquelle, es war einfach nur finster.
Doch noch ehe Harrys Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten und er sich dazu hinreißen lassen konnte, um Hilfe zu schreien, gingen über ihm flackernd die Lampen an. Mehrere Neonröhren blitzten auf und tauchten alles in helles, kaltes Licht.
„Na endlich“, sagte jemand. Harry zuckte erschrocken zusammen.
***
Viktor Kulac lehnte sich in Fensternähe gegen die Wand und schaute schon wieder auf seine Armbanduhr. Es war das fünfte Mal in den vergangenen fünf Minuten. Seine Geduld war am Ende. Er stampfte mit dem Fuß auf, schlug mehrmals gegen das geschlossene Fenster. Klong ! Klong ! Klong !
Fünfundzwanzig Minuten ! Verdammt, da stimmt was nicht.
„Wie lange dauert so eine Radio-Dings-Sache?“, fragte er.
Klaus zuckte nur mit den Schultern.
Andrej antwortete: „Keine Ahnung. War noch nie wegen so was beim Arzt.“
„Mir dauert das verdächtig zu lange“, knurrte Viktor.
Er wartete weitere fünf Minuten, danach hatte er die Nase voll.
„Wir haben genug gewartet“, entschied er, stieß sich von der Wand ab und ging zur Tür.
„Harry läuft uns nicht davon. Wir kennen die Zimmernummer und wir wissen, wo er wohnt. Kümmern wir uns um den anderen. Hast du das Foto dabei, Andrej?“
„Ja,
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