Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Titel: Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
Vom Netzwerk:
zusammen und mit jedem Zentimeter fügte sich ein Knacken an das Nächste. Sems Nackenhaare sträubten sich. Versteinert beobachtete er, wie Ari Sklaaten kleiner und kleiner wurde. Zuletzt löste dieser sich vom Terrassengeländer und fiel nach hinten um. Mit dem Hinterkopf schlug er auf den Planken auf und blieb reglos liegen.
    Erst jetzt sah Sem die Vorderseite des Mannes, zuckte bei dessen Anblick zusammen und sprang entsetzt einen Schritt zurück. Da, wo einmal das Gesicht unter der Kapuze des Regenmantels gewesen war, saß jetzt nur noch ein Schädel, dessen einzelne Knochen an unzähligen Stellen zerhackt oder eingerissen waren.
    Die schwarzen Möwen hatten ganze Arbeit geleistet.
    Auch der Rest des Körpers bestand nur noch aus zerfetzter Kleidung und Knochen. Durch ein klaffendes Loch in der oberen Bauchhöhle dröhnte ein Krächzen, dann streckte einer der schwarzen Vögel den Kopf heraus und flatterte haarscharf an Sems Gesicht vorbei.
    Sem bemühte sich ruhig zu atmen, aber es gelang ihm nicht. Wut und Trauer kochten in ihm hoch. Denn so entsetzlich das Gerippe auch anzusehen war, so war es eigentlich nur ein kleines Detail, das den jungen Mann völlig aus der Fassung brachte. So sehr, dass er unkontrolliert zu zittern begann. Er wollte nicht mehr hinsehen, nicht mehr hier sein, nicht länger auf dieses Gerippe starren, aber konnte den Blick einfach nicht abwenden. Er schluckte schwer.
    Die schreckliche Erkenntnis brannte sich tief in sein Hirn.
    Vor ihm lagen weder Ari Sklaaten noch dessen Überreste.
    Dem Toten fehlte die komplette rechte Hand.
     
    ***
     
    „Wiedersehen macht Freude!“, schnarrte eine Stimme genau hinter Sems rechtem Ohr. Sie hatte nur entfernt Ähnlichkeit mit der Stimme, die vorhin durch die Dunkelheit des Gebäudes gedrungen war, und doch gehörte sie demselben Mann. Es gab keine Zweifel. Hinter ihm stand Ari Sklaaten.
    Unbemerkt hatte er sich ihm genähert. In Sems bitterster Stunde war Ari aus seinem Versteck gekrochen.
    Aber wie ist er unbemerkt hinter mich gekommen? Was ist passiert? Und was geschieht als nächstes?
    Es waren einfach zu viele Fragen auf einmal und Sem hatte keine Zeit für sinnlose Antworten.
    Er reagierte, wie seine Instinkte und die rasende Wut auf den Mann hinter seinem Rücken es von ihm verlangten.
    Den ersten Schock überwindend, riss Sem seinen Körper herum. Die Pistole und die Taschenlampe hielt er fest in den Händen.
    Er wusste, er musste schnell sein.
    Noch während er sich drehte traf das Licht auf eine hässliche, vernarbte Fratze. Die Augen waren klein und dunkel. Die Nase spitz. Auf dem Kopf saß ein schwarzer Regenhut, darunter zeigte sich langes gekräuseltes Haar. Etwas im Licht glänzendes sauste von oben auf Sem herab. Der Zeit beraubt, um zu verstehen, was eigentlich gerade geschah, drückte er geistesgegenwärtig den Abzug.
     
    ***
     
    Die Chance Ari Sklaaten zu erledigen verpuffte unwirksam. Das erhoffte Knallen der Pistole blieb aus. Kein Mündungsfeuer. Kein Schuss. Stattdessen spürte Sem im darauffolgenden Bruchteil einer Sekunde nur noch heftigen Schmerz in der rechten Hand.
    Die Pistole fiel unkontrolliert zu Boden. Mit ihr fiel ein Großteil von Sems rechter Hand. Erst als die Waffe auf dem Boden aufschlug, löste sich daraus noch ein Schuss. Die Kugel verschwand in der Dunkelheit, ohne etwas zu treffen. Sem starrte ungläubig auf die Überreste seiner eigenen Hand auf dem Boden, dann auf ihren ursprünglichen Platz an seinem Arm. Blut schoss aus seinem Armstumpf.
    „Zu spät“, schnarrte Ari und hob das blutige Beil für einen weiteren Schlag. Die Fratze grinste hässlich. In ihren Augen stand der Wahnsinn.
    „Zack, zack, zack, hat er ihm die Hand abgehackt!“, säuselte Sklaaten und brach in hysterisches Gelächter aus. Dann riss er sich den Regenhut vom Kopf und kam auf Sem zu.
    Sem schrie. Er wehrte sich gegen die drohende Ohnmacht, auch wenn es hinter seiner Stirn jetzt nur noch Schmerzen und Angst gab. Binnen weniger Momente hatte sich seine Situation rapide verändert. Das Gefühl des Triumpfes war dem des Wissens über den unmittelbar bevorstehenden Tod gewichen. Unkontrolliert wankte er zurück, noch immer unfähig zu rekapitulieren, was genau passiert war. Alles, was er dachte, war: Schmerz.
     
    ***

Kapitel 5
     
     
    01:18
    Die Düsternis des Gebäudeinneren umklammerte Harry. Seine Augen vermochten kaum etwas zu sehen. Dafür hatte sich sein Gehör erstaunlich schnell geschärft und nahm Geräusche wahr, die

Weitere Kostenlose Bücher