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Mond über Manhattan

Mond über Manhattan

Titel: Mond über Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Banks,
    George Altman und Glen Hobbie. Hobbie mochte er ganz besonders, doch in Übereinstimmung mit seiner Sicht der Dinge erklärte mein Onkel, als Werfer werde der es nie zu etwas bringen, da sein Name nicht auf Professionalität schließen lasse. Derartige Kalauer waren typisch für Victors Humor. Inzwischen hatte ich richtig Gefallen an seinen Witzen gefunden und begriff, warum er dabei so ungerührt dreinschauen mußte.
    Kurz nach meinem vierzehnten Geburtstag bezog eine dritte Person unsere Wohnung. Dora Shamsky, geborene Katz, war eine füllige Witwe um die Mitte Vierzig; ihre extravagante Frisur war blond gebleicht, ihr Unterleib fest in ein Mieder geschnürt. Seit dem Tod von Mr. Shamsky vor sechs Jahren hatte sie in der versicherungsstatistischen Abteilung von Mid- American Life als Sekretärin gearbeitet. Onkel Victor begegnete ihr im Tanzsaal des Featherstone Hotel, wo die Moonlight Moods auf der alljährlichen Silvesterfeier der Firma für musikalische Unterhaltung gesorgt hatten. Nach einer stürmischen Umwerbung knüpfte das Paar im März feste Bande. Ich sah an alldem durchaus nichts Kritikwürdiges und agierte bei der Hochzeit stolz als Trauzeuge. Doch als der Staub sich langsam legte, stellte ich bekümmert fest, daß meine neue Tante nicht gerade bereitwillig über Victors Witze lachte, und ich fragte mich, ob das nicht an einer gewissen Beschränktheit liegen könnte, einem Mangel an geistiger Beweglichkeit, der für die Zukunft der Verbindung nichts Gutes verhieß. Bald ging mir auf, daß es zwei Doras gab. Die eine war geschäftig und voller Elan, ein barscher, eher männlicher Charakter, der mit feldwebelhafter Tüchtigkeit durchs Haus stürmte, ein Bollwerk sprühend guter Laune, ein Besserwisser, ein Boss. Die andere Dora war eine versoffene Kokette, eine selbstmitleidige, genußsüchtige Heulsuse, die in einem rosa Bademantel herumschwankte und im Wohnzimmer auf den Boden kotzte. Die zweite war mir viel lieber, wenn auch nur, weil sie dann ein bißchen Zärtlichkeit für mich übrig zu haben schien.
    Andererseits stellte mich Dora, wenn sie betrunken war, vor ein Rätsel, das ich einfach nicht entwirren konnte, denn Victor wurde mürrisch und unglücklich, wenn sie sich so gehen ließ, und wenn ich etwas nicht ertragen konnte, dann war es, meinen Onkel leiden zu sehen. Mit der nüchternen, keifenden Dora konnte Victor sich abfinden; betrunken aber brachte sie bei ihm eine Strenge und Ungeduld zum Vorschein, die mir unnatürlich vorkam, wie eine Pervertierung seines wahren Ichs. So befanden sich das Gute und das Schlechte in permanentem Kriegszustand. Wenn es Dora gutging, ging es Victor schlecht; wenn es Dora schlechtging, ging es Victor gut. Die gute Dora schuf einen schlechten Victor, und der gute Victor zeigte sich nur, wenn Dora schlecht war. Über ein Jahr lang blieb ich in dieser Höllenmaschine gefangen.
    Zum Glück hatte die Bostoner Busgesellschaft eine großzügige Abfindung gezahlt. Nach Victors Berechnungen reichte das Geld für vier Jahre College, plus bescheidenen Lebensunterhalt und ein wenig Taschengeld, um mich auf den sogenannten Ernst des Lebens vorzubereiten. In den ersten Jahren hielt er dieses kleine Vermögen gewissenhaft beisammen. Mein Leben finanzierte er aus seiner Tasche, und zwar gern, denn er war stolz auf seine Verantwortung und schien nicht geneigt, das Geld oder einen Teil davon anzugreifen. Das änderte sich jedoch, als Dora den Schauplatz betrat. Er hob die inzwischen aufgelaufenen Zinsen ab, dazu einen Teil des Taschengelds, und meldete mich auf einem privaten Internat in New Hampshire an, wodurch er die Auswirkungen seiner Fehlkalkulation auszugleichen glaubte. Denn obgleich sich Dora nicht als die Mutter erwies, die er sich für mich erhofft hatte, sah er keinen Grund, die Suche nach einer anderen Lösung aufzugeben. Es war natürlich sehr schade um das Taschengeld, aber da war nun einmal nichts zu machen. Vor die Wahl zwischen Jetzt und Später gestellt, entschied Victor sich immer für das Jetzt, und wenn man bedenkt, daß sein ganzes Leben an die Logik dieses Impulses geknüpft war, dann war es nur natürlich, daß er auch in diesem Fall dem Jetzt den Vorzug gab.
    Drei Jahre verbrachte ich auf der Anselm’s Academy for Boys. Als ich nach dem zweiten Jahr nach Hause kam, hatten Victor und Dora sich bereits getrennt, doch welchen Sinn hätte es gehabt, schon wieder die Schule zu wechseln? Also fuhr ich nach den Sommerferien nach New Hampshire zurück.

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