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Mond über Manhattan

Mond über Manhattan

Titel: Mond über Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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doch diese Banditen, die vor ungefähr fünfzig Jahren plötzlich verschwunden sind. Bert und Frank und Harlan, die letzten Zugräuber des Wilden Westens. Hatten die nicht irgendwo ein Versteck? fragte ich, mühsam meine Erregung verbergend. Jemand hat mir erzählt, sie hätten in einer Höhle gewohnt, hoch oben in den Bergen, glaube ich. Sie könnten recht haben, sagte Mr. Smith, so etwas habe ich auch gehört. Angeblich in der Nähe von Rainbow Bridge. Glauben Sie, es wäre möglich, sie zu finden? fragte ich. Ja, früher vielleicht, brummte Mr. Smith, früher vielleicht, aber heute können Sie lange danach suchen. Wieso das? fragte ich. Lake Powell, antwortete er. Das ganze Land da ist überflutet. Vor zwei Jahren haben sie’s unter Wasser gesetzt. Ohne eine Tiefsee-Tauchausrüstung dürften Sie da kaum was finden.
    Danach gab ich auf. Sobald Mr. Smith diese Worte ausgesprochen hatte, wußte ich, daß es keinen Sinn mehr hatte, weiterzumachen. Ich hatte schon immer gewußt, daß ich früher oder später würde aufhören müssen, aber daß es so plötzlich und mit so vernichtender Endgültigkeit kommen würde, hatte ich mir nie vorgestellt. Ich hatte doch gerade erst angefangen, war doch gerade erst in Schwung gekommen, und jetzt war plötzlich alles aus. Ich fuhr nach Bluff zurück, übernachtete ein letztes Mal in dem Motel und reiste am nächsten Morgen ab. Von dort fuhr ich zum Lake Powell, ich wollte mit eigenen Augen das Wasser sehen, das meine schönen Pläne zunichte gemacht hatte, doch war es schwer, einem See gegenüber viel Wut zu empfinden. Ich mietete ein Motorboot, kreuzte den ganzen Tag über das Wasser und versuchte zu überlegen, was ich als nächstes tun sollte. Das war inzwischen ein geläufiges Problem für mich, aber meine Enttäuschung war so ungeheuer groß, daß ich schlichtweg an gar nichts denken konnte. Erst als ich das Boot wieder bei der Verleihstelle zurückgab und nach meinem Wagen zu suchen begann, wurde mir die Entscheidung plötzlich aus der Hand genommen.
    Der Pontiac war nirgendwo zu finden. Ich suchte überall danach, doch dann merkte ich, daß er nicht mehr da war, wo ich ihn geparkt hatte, und ich wußte, daß man ihn mir gestohlen hatte. Meinen kleinen Rucksack und fünfzehnhundert Dollar in Reiseschecks hatte ich bei mir, aber der Rest des Geldes war im Kofferraum gewesen - mehr als zehntausend Dollar in bar, meine ganze Erbschaft, alles, was ich auf der Welt besaß.
    In der Hoffnung, daß jemand mich mitnehmen würde, stellte ich mich an die Straße, aber kein Wagen hielt wegen mir an. Ich verfluchte sie, ich schrie ihnen Obszönitäten nach, wenn sie an mir vorbeirasten. Dann wurde es Abend, und da ich auch an der Hauptstraße keinen Erfolg hatte, blieb mir nichts anderes übrig, als ins Gebüsch zu tappen und mir einen Platz zum Schlafen zu suchen. Das Verschwinden des Wagens hatte mich so verwirrt, daß ich nicht einmal daran dachte, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Als ich am nächsten Morgen zitternd vor Kälte aufwachte, kam mir plötzlich der Gedanke, daß der Diebstahl nicht von Menschen begangen sei. Es war ein Streich der Götter, ein Akt göttlicher Böswilligkeit, die nur das Ziel hatte, mich zu zermalmen.
    Und da begann ich zu gehen. Ich war so wütend, so beleidigt von dem, was geschehen war, daß ich nicht mehr den Daumen ausstreckte, um einen Wagen anzuhalten. Ich ging den ganzen Tag, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, ich ging, als wollte ich den Boden unter meinen Füßen bestrafen. Am nächsten Tag das gleiche von vorn. Und am Tag danach noch einmal. Und dann noch einmal. Drei Monate lang ging ich weiter, arbeitete mich langsam nach Westen vor, machte ab und zu in einer kleinen Ortschaft für einen oder zwei Tage halt und zog dann weiter, schlief auf freiem Feld, in Höhlen, in Gräben am Straßenrand. In den ersten zwei Wochen war ich wie einer, den der Blitz getroffen hat. In mir hallte der Donner, ich weinte, ich heulte wie ein Irrer, aber dann schien die Wut nach und nach zu verrauchen, und ich gewöhnte mich allmählich an den Rhythmus meiner Schritte. Ich verschliß ein Paar Schuhe nach dem anderen. Am Ende des ersten Monats fing ich langsam wieder an, mit den Leuten zu reden. Wenige Tage später kaufte ich mir eine Schachtel Zigarren, und von da an rauchte ich jeden Abend eine zu Ehren meines Vaters. In Valentine, Arizona, wurde ich in einem leeren Lokal am Ortsrand von einer pummeligen Kellnerin namens Peg verführt und blieb dann zehn

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