Mondgeschöpfe (Phobos)
gefällst mir", sagte sie. "Jedenfalls erheblich besser als die meisten Männer."
Julians Stimme fiel bis auf weiteres aus.
"Hast Du noch viel vor heute Nacht?", fragte sie.
Natürlich hatte er gar nichts mehr vor. Ihr Anblick hatte zudem etwas so Bezwingendes, dass Julian alles, was er vielleicht hätte vorhaben können, sofort und leichten Herzens aus seinem Terminkalender gestrichen hätte. Sie behandelte ihn sehr von oben herab. Sie war seine Traumfrau.
Keine halbe Stunde später fand Julian sich vor einem seriös wirkenden Haus in der Altstadt wieder. Cassia schloss die große Haustüre auf und glitzerte vor Julian her. Der Raum, in den sie ihn geleitete, war mit schwarzen, roten und lila Vorhängen drapiert. Die schwere Luft drückte Julian auf die Lungen. Alles in diesem Raum wirkte wertvoll, wie in einem Märchen aus tausendundeiner Nacht. Aber Julian ahnte, dass schon eine Nacht hier zu teuer für ihn war.
"Leg' Deine Kleider ab!"
Julian zögerte.
Sie schlug ihm zweimal hart ins Gesicht.
Er legte seine Kleider ab. Fröstelnd stand Julian mitten in dem großen Raum. Cassia ging um ihn herum, starrte ihn abschätzend an, wie man auf dem Großmarkt ein Stück Vieh begutachtet hätte.
"Du bist viel hübscher als die anderen. Mit dir wird es mir etwas mehr Spaß machen. Etwas mehr. Natürlich musst du mich dafür bezahlen. Es ist dir doch klar, dass ich mich nicht umsonst mit dir abgeben kann?"
Es war Julian völlig klar. Dieses erste Mal kostete ihn zweihundertzweiunddreißig Mark. Das war das Geld, das er gerade in der Tasche hatte.
Elfmal war er seit damals bei Cassia gewesen. Jede dieser Nächte hatte ihn neunhundert Mark gekostet. Das war für ihn sehr viel Geld. Aber er war immer bereit gewesen, dieses Geld für eine Fahrkarte in sein ganz persönliches Märchen zu bezahlen.
In dieser ersten Nacht hatte sie ihn brutal gegen die Holzverkleidung gedrückt und ihm Arme und Beine mit silbernen Schellen an die Wand gefesselt. Sein Glied richtete sich auf. Plötzlich ertönte Heavy Metal-Music. Vixen? Lee Aaron? Er wusste es nicht.
Cassia begann zu tanzen. Ihr Haar wirbelte wie ein weißer Kugelblitz durch den spärlich beleuchteten Raum. Immer wieder näherte sie sich ihm, fingierte Tritte, Schläge oder Schrittfolgen in seine Richtung. Angst ließ Julians Magen sich zusammenkrampfen. Aber auch eine ungeahnte, nie empfundene Lust, ihr gänzlich ausgeliefert zu sein, begann ihn zu erfüllen. Cassia hatte Lichtjahre später ihren Rhythmus verlangsamt, ein schmales Tuch um seinen Hals gewunden und zugezogen, langsam. Diesmal zog sie sich nicht wieder zurück, sondern zog immer weiter zu. Ihm wurde schwindelig. Für Julian wurden die Atemnot und die sexuelle Spannung unerträglich, bis sein Glied und mit ihm sein Körper gleichsam zu explodieren schien. Aber die physiologische Reaktion war für Julian nicht das, was das ganze zum Unverwechselbaren mystifizierte. In diesem Augenblick hatte Cassia hässlich gelacht, und dieses Lachen legte sich wie eine Art dunkler Segen auf die banale Biologie des Vorgangs. Julian erwachte wie aus einem tiefen Traum. Er stand da an der Wand, nackt, feucht und mit zitternden Beinen.
"Du siehst ekelhaft aus. Willst du dich nicht endlich sauber machen?!"
Cassia hatte seine Fesseln gelöst. Eine Welle der Scham hatte Julian eingeholt. Er suchte mit fliehendem Blick einen Ausweg, wollte nur noch fort.
"Dort ist das Badezimmer. Säubere dich! Aber du kommst wieder her. Ich bin noch nicht mit dir fertig."
Cassia hatte auf eine Türe gewiesen, die in der wertvollen Holzvertäfelung beinahe völlig verborgen war. Schwankenden Schrittes betrat Julian ein schwarz gekacheltes, überaus geräumiges Badezimmer. Statt einer Badewanne zierte ein kleiner runder Pool die Mitte des Raumes. Aber Julian war nicht nach Baden. Ich bin noch nicht mit dir fertig, klang es in ihm nach. Er benutzte eine der Duschen an der Seitenwand. Das fließende Wasser tat ihm gut.
"Kommst du?!" , ertönte die Stimme der Frau, und sein Herz begann wieder schneller zu schlagen.
Julian verspürte den Drang zu gehen, dieses Haus endgültig zu verlassen und nie mehr wieder zu kommen. Wenn er die Kraft gehabt hätte, wäre er diesem Drang nachgekommen. Aber er hatte sie nicht. Julian wusch sich , trocknete sich ab und trat zaghaft in den Türrahmen. Cassia hatte ihre Kleidung verändert. An den Ellbogen und Schultern trug sie nun silberne Rüstungsstücke. Statt des Mieders wurde ihre Brust von einem
Weitere Kostenlose Bücher