Mondgeschöpfe (Phobos)
wegen des Geldes, das er nun wieder bezahlen musste. Die Erinnerung an das, was er hier schon erlebt hatte und die Aussicht auf das, was kommen mochte, zerrüttete jedes Mal sein Nervensystem.
"Zieh' dich aus", herrschte ihn eine scharfe Stimme an. "Zieh' endlich diese entsetzlichen Fetzen aus. Ich will dich nackt vor mir auf dem Fußboden sehen."
Julian schrak zusammen und tat wie ihm geheißen war. Es war nicht zu warm in diesem Raum und auf seiner Haut fühlte er kalte Schauer. Noch war niemand zu sehen. Aber Julian wusste genau, dass sie ihn beobachtete.
"Du darfst nähertreten!"
Die Worte fielen in den Raum, wie harte Murmeln auf Marmorfliesen. Julian schritt in den Raum. Jede Bewegung war eingeübt. Nur ein Mensch hatte bewirken können, dass Julian sich so verhielt , und diesen Menschen hatte er vor einem Jahr gefunden. Cassia war seine Traumfrau, die Frau, für die er rückhaltlos alles getan hätte. Der Besuch bei ihr war Julian inzwischen zum Gottesdienst geworden. Jedenfalls stellte er sich vor, dass die Menschen des Mittelalters mit vergleichbarer Inbrunst in die Kirchen geströmt waren.
Als er jetzt vor ihrem Bett mit den geschlossenen Vorhängen kniete, wusste er nicht, was im nächsten Augenblick geschehen würde.
Die Vorhänge des Bettes flogen auf. Cassia lag vor ihm auf dem Rücken mit aufgestützten Ellbogen, angewinkelten und weit gespreizten Beinen. Sie trat ihm unvermittelt gegen die Brust. Julian taumelte zurück.
"Nun, mein hübscher Sklave! Ist er wieder voller geheimer, unaussprechlicher Wünsche in mein Haus gekommen?"
Schon der Ton ihrer Stimme hatte Wirkung auf sein Glied.
"Kleiner Sklave, ich muss dich enttäuschen. Heute habe ich etwas anderes für dich, als geheime Freuden. Sieh' nur her."
Sie wies mit ausgestrecktem Arm auf ihr Bett, auf dem mindestens zehn Fotografien lagen. Julian traute seinen Augen nicht. Alle zehn Aufnahmen zeigten ihn selbst in ausgesprochen demütigenden Situationen. Und er erinnerte sich genau an sie, an jede einzelne. Er hatte alles, was damals geschah, wie einen Schatz in seinem Herzen bewahrt. Jetzt wurden diese privaten Schätze plötzlich ans helle Tageslicht gezerrt, preisgegeben.
"Wer hat diese Bilder gemacht?", fragte er und seine Stimme klang heiser.
"Das ist doch wohl ziemlich egal", entgegnete Cassia. Ihre Stimme verlor alles Anregende für Julian.
"Wozu sollen die Fotos gut sein, geht es um ein neues Spiel?", versuchte Julian erneut und ahnte doch schon, dass es sich um das genaue Gegenteil eines Spieles handelte, dass die Zeit der Spiele zu Ende war, und vielleicht hatte es sie nie gegeben.
"Weißt du, mein Kleiner, dieses Haus wird immer teurer."
Für Julian ging eine furchtbare Verwandlung mit Cassia vor sich. Cassia war jetzt nicht mehr Cassia, Herrin seiner Freuden und Schmerzen. Sie war jetzt nur noch eine armselige Hure, die den Vertrag mit ihm brach und ihn zu erpressen versuchte. Der Traum, sein ganz persönliches Märchen, wurde in diesem Augenblick unrettbar zerstört. Julians innerer Samurai begann seine Rüstung anzuziehen.
Cassia merkte sofort, dass Gefährliches in Julian Einzug hielt.
"Gordon!", schrie sie, und aus der Wandtäfelung trat ein sehr gut gekleideter, aber sehr hässlicher Mann, ihr Zuhälter. Er hielt einen großen Revolver auf Julian gerichtet.
"Nur die Ruhe, mein Junge", sagte er, "nur die Ruhe!"
Cassia erläuterte: "Wir wollen doch nicht zuviel. Nur, dass du nicht mehr herkommst und trotzdem einfach weiter tausend Mark im Monat überweist. Das schaffst du doch, oder?"
"Du hättest mich einfach fragen können, wenn du Geld brauchst", entgegnete Julian und sah Cassia an.
"Aber ich wollte dich nicht fragen", gab Cassia zurück. "Eines Tages möchte ich überhaupt keinen Mann mehr wegen irgendetwas fragen müssen. Ich habe euch über", schrie sie.
"Du hast meinen Traum zerstört. Das hättest du nicht tun dürfen, auf keinen Fall."
Gordon unterbrach den Dialog: "Am 18. will ich das Geld hier sehen. Mach' eine ganz normale Überweisung daraus. Du kannst gerne: Therapie als Verwendungszweck eintragen. Falls das Geld nicht pünktlich auf unserem Konto ist, gehen Abzüge dieser Fotos an deinen Arbeitgeber. Dein Konzernvorstand wird sicher sehr erstaunt darüber sein, zu erfahren, welch' delikaten Hobbys du nachgehst."
Julian antwortete nicht. Für ihn war alles gesagt. Er trat an die Bank heran, auf der er seine Kleidung abgelegt hatte und begann sich anzuziehen. Er verließ den Raum und das Haus,
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