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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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ohne auch nur noch ein Wort zu sprechen oder sich umzudrehen.
    Zu Hause angekommen betrat er unverzüglich seinen kleinen, aber gut ausgestatteten dojo , seinen Übungsraum. Er kniete sich im Meditationssitz nieder und betrachtete intensiv seine Lang- und Kurzschwerter, die in mehreren Ständern nebeneinander standen.
    Niemand hatte das Recht, seinen Traum zu zerstören. Niemand ! Julian vertiefte sich in seine dunkle Meditation. Drei Bilder beherrschten diesen Raum, den er sich vor langen Jahren ausgestaltet hatte. Zu Julians rechter Seite zierte ein Tempelfoto des elefantenköpfigen Ganesha die Wand, wie er seiner vollbusigen Freundin den Rüssel reichte. Ein Bild, das Wärme und Ruhe ausstrahlte.
    Zu Julians linker Seite war das Bild einer riesigen Katze an der Wand angebracht, das Urbild von Kraft und innerer wie äußerer Balance.
    Julian aber wurde von einem überlebensgroßen Bild Choki s direkt ihm gegenüber beeindruckt, einem furiosen japanischen Krieger der alten Zeit. Das Bild zeigte, wie Choki gerade einen widerborstigen Dämon zur Räson bringt.
    Julian meditierte sich mit geschlossenen Augen in das Bild von Choki hinein. Seine Körperhaltung, seinen tiefen Stand, die Art, wie er den Dämon mit der Linken würgte und gleichzeitig mit der Rechten zum Schwert fuhr. Jetzt öffnete Julian die Augen. Choki sah ihn an und schien bereit zu sein, seinen archaischen Kriegergeist mit Julian zu teilen.
     
    *****
     
    Zwei Tage später bestieg Gordon seinen riesigen Cadillac, den er wie immer im Dauerparkraum des Parkhauses abgestellt hatte. Mit einem leisen Schmatzen schloss sich die Türe hinter ihm, während er es sich in seinem Schalensitz bequem machte. Die rotbelederten Polster schmiegten sich an seinen Rücken. Gordon war sehr mit sich zufrieden. Drei Frauen arbeiteten für ihn. Das brachte schon eine Menge. Und die kleinen Erpressergeschäfte, wie jene, die Cassia angeleiert hatte, rundeten sein Einkommen mit einem guten Zuschlag auf.
    Er brauchte solche Sondereinnahmen, besonders, wenn er Sonderausgaben gehabt hatte. Er spielte gerne. Und er verlor viel. Gordon war vierzig Jahre alt. Seit zwanzig Jahren lebte er von Frauen.
    Dieser Cassia war er ganz besonders zugetan. Sie hatte wirklich etwas Bezwingendes. Vielleicht hatte dieser Julian sogar recht gehabt. Sie hätte ihm auch einfach befehlen können, mehr Geld zu zahlen, und er hätte es getan.
    Gordon hatte Cassia zur Geschäftsführerin von TRANSSOU L gemacht. TRANSSOUL war Gordons ganzer Stolz. Er hatte die Firma selbst gegründet, und diese Gründung entpuppte sich als die beste Idee, die er je gehabt hatte. Es handelte sich um ein legales Unternehmen, ein Therapiezentrum, von der Gesundheitsbehörde anerkannt, was gar nicht so schwer gewesen war, weil der Leiter des Amtes einer der stillen Kunden von TRANSSOUL war. Und der kannte den therapeutischen Wert der Behandlungen genau.
    Gordon ließ den Wagen an. Der Motor schnurrte sanft. Man hörte ihm seine ungeheure Stärke nicht an. Er fuhr zur Auffahrt, die steil nach oben führte und gab ein bisschen mehr Gas. Der Wagen zog anstandslos die Steigung empor. Die Schranke an der Ausfahrt war herabgelassen. Gordon hielt den Wagen an und fingerte in seiner Jackentasche nach der kleinen Plastikkarte mit dem Code für die Dauerparker. Er spürte, dass der Wagen zu wippen begann. Erstaunt sah er auf und nahm eine schemenhafte, dunkle Gestalt neben der langen, glänzenden Haube des Cadillacs wahr. Der Dunkle hatte einen Fuß auf die silberne Stoßstange gesetzt. Mit der linken Hand wirbelte er die dornenbewehrte Kugel eines Kettenmorgensternes um den Griffstab dieser gefährlichen Waffe. Kurz wie ein Wetterleuchten traf Gordon ein Blick aus dem schwarz maskierten Gesicht. Die silberne Kugel raste auf Gordon zu. Unwillkürlich warf er sich in den rotbelederten Schalensitz zurück. Die Windschutzscheibe wurde mit einem reißenden Krachen weggeblasen. Die schwarze Gestalt glitt an der Motorhaube entlang näher. Wieder raste die Kugel auf Gordon zu und traf mit dumpfem Knirschen seine Hände, die er schützend vors Gesicht gerissen hatte. Kraftlos, zerschmettert sank seine Rechte herab. Fieberhaft fischte er mit seiner Linken nach dem Revolver im Schulterhalfter. Aber dann traf der dornige Stahl immer wieder Kopf, Hände, Schultern und Brust. Gordon besaß einfach nicht jene zähe Disziplin, die ihn hätte tun lassen, was nötig war, eine Disziplin, die sich durch Schmerzen und Blut nicht hätte hindern lassen.

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