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Mondmädchen

Mondmädchen

Titel: Mondmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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mir ins Ohr.
    Ich nickte. »Noch einen Augenblick«, sagte ich, obwohl ich es nun schon seit einer ganzen Weile hinauszögerte. Ich wusste, dass ich dem König von Mauretanien bald gegenübertreten musste. Aber die Angst hielt mich fest umklammert.
    Ich saß auf einer gepolsterten Bank in meinen neuen Gemächern und betrachtete das Schachbrettmuster der Bodenfliesen, die Gemälde von trompetenden Elefanten an den Wänden, die duftenden, übergroßen Blüten, die aus den Alabaster- und Onyxvasen in jedem Winkel des Raumes quollen. Diese kleine, aber elegante Villa, die den Mauretaniern als Königspalast diente, war vermutlich der Gipfel des Luxus für den Wüstenhäuptling.
    Auch die Stadt Iol in Mauretanien, wo wir mit dem Schiff angelegt hatten, hatte mich überrascht. Ich hatte zerklüftete Strände erwartet, die zu glühend heißen Wüsten oder undurchdringlichen Wäldern voller wilder Tiere führten. Stattdessen fand ich eine blühende Hafenstadt voller Handel und Leben, die sich über weite Hügel erstreckte, die mit grünen und goldenen Feldern voll wogendem Korn gesprenkelt waren. Da erst fiel mir wieder ein, dass ganz Nordafrika Rom mit Weizen versorgte, nicht nur Ägypten. Palmen ragten in den leuchtend blauen Himmel und schwankten in der frischen Meeresbrise, umgeben von üppig blühenden Obstbäumen und leuchtend bunten Büschen. In einem Wäldchen, das sich bis zum Wasser ausdehnte, sprangen kleine kreischende Äffchen von Baum zu Baum.
    Der Hafen war allerdings seltsam ruhig und leer. Man sah mehr römische Soldaten als Mauretanier. Ich hatte insgeheim aufgestöhnt, denn das bedeutete, dass Rom erst kürzlich hier einmarschiert war und gewiss den hiesigen Häuptling oder König mit vorgehaltenem Schwert gezwungen hatte, die römische Vorherrschaft »anzuerkennen«. Ich selbst war dabei gewiss Teil der Verhandlungsmasse gewesen. Das Volk war vermutlich verängstigt, wütend und verwirrt.
    Der König hatte einen Boten zum Hafen gesandt, um uns zu empfangen. Der dunkelhäutige Mauretanier machte eine Verbeugung und überreichte mir einen Brief mit einem kleinen Päckchen. In perfektem Griechisch stand da:
    Mit großem Kummer höre ich von dem Verlust deines geliebten Zwillingsbruders, Alexandros. Vielleicht kann dich dieses kleine Geschenk an glücklichere Zeiten erinnern .
    Aber ich konnte nicht weiterlesen. Ich legte den Brief zur Seite. Nicht einen Augenblick lang glaubte ich, dass der mauretanische König mir einen Brief auf Griechisch geschrieben hatte. Dieser Wüstennomade hatte vermutlich in seinem ganzen Leben noch nicht eine einzige Schriftrolle gelesen.
    Während sich unsere Sänfte ihren Weg durch die Straßen zum Palast des Königs bahnte, starrten die Menschen uns mit zurückhaltender Neugier an. Ich hörte vor allem Punisch, obwohl ich auch einige Fetzen von Griechisch, Latein, Aramäisch und sogar Hebräisch vernahm.
    Und nun, in diesem Raum, war ich nur wenige Augenblicke davon entfernt, dem Leben zu begegnen, dem zu stellen ich mich entschieden hatte.
    Zosima hielt eine spiegelnde Bronzescheibe in die Höhe, damit ich meine Erscheinung betrachten konnte, und ich war sprachlos, wie sehr mein entschlossener Gesichtsausdruck und meine mit Malachit und Kajal geschminkten Augen aussahen wie die meiner Mutter. Ich winkte die Scheibe beiseite.
    Tanafriti wand sich schnurrend um meine Knöchel. Sebi saß hoch aufgerichtet da und starrte mich an.
    »Ja, ja«, sagte ich leise zu ihm. »Ich sollte ihn nicht länger warten lassen.«
    Ich wusste, dass meine Verspätung bereits an Unhöflichkeit grenzte, aber ich musste erst all meinen Mut zusammennehmen. Trotz meines Entschlusses, mich meiner Zukunft zu stellen, hatte ich noch immer Angst vor dem, was sich mir eröffnen würde. Was war, wenn dieser Häuptling schlimmer war als ein römischer Pater Familias und vollständige Kontrolle über jedes Detail meines Lebens verlangte? Wie konnte ich meine eigene Macht bewahren, wenn er versuchte, mir meine Selbstbestimmung zu nehmen?
    Ich befühlte die gewebte Verpackung des Geschenks, das mir mein zukünftiger Ehemann geschickt hatte, und fuhr mit den Fingern über die kunstvollen mauretanischen Muster – aneinandergereihte Rauten in leuchtend bunten Farben. Ich zog den Stoff beiseite.
    Eine abgenutzte Schriftrolle. Die Liebesgedichte des Catull . Auf Lateinisch. Ich entrollte den alten Papyrus und meine Augen erblickten dies:
     
    Odi et amo. Quare id faciam, fortasse requiris?
Nescio, sed fieri sentio et

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