Mondmilchgubel Kriminalroman
Spiel, um die Belohnung einzuheimsen?«, spekuliert Jung.
»Ohne Strafe wird der Mann auf jeden Fall nicht davonkommen. Vorspiegelung falscher Tatsachen, Irreführung der Polizei und so weiter.«
»Ich frage mich, warum Kuno eine Belohnung auf seine eigene Festnahme ausgesetzt hat.«
»Eiskalte Berechnung.«
»Was geschieht jetzt mit dem Eierkari? Muss er seine Aussage noch zu Protokoll geben?«
»Leider ja. Aber ich werde veranlassen, dass dies auf dem Polizeiposten im Dorf geschehen kann. Auch wird er später bei der Gerichtsverhandlung als Zeuge aussagen müssen.«
»Der Ärmste.«
Er steht auf, dehnt und streckt sich. »Danke für das Essen. Ich muss jetzt los. Sagen Sie Ihrem Bekannten, dass ich seine Therapie weiterempfehlen werde.«
Kapitel 27
Viktoria entscheidet sich für eine Wanderung auf den Farner, den Hausberg von Oberholz. Bereits im 19. Jahrhundert wanderten die Menschen aus der Umgebung auf den aussichtsreichen, meist nebelfreien Hügel. Damals begann man Wanderwege zu bauen, um den Nahtourismus zu fördern. Zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg strömten im Winter Scharen junger Leute zu den schattigen Hängen des Zürcher Oberlands, und allmählich entwickelte sich das Skifahren zum Volkssport. Der Farner wurde zu einem beliebten Skiort, obwohl die Holzbretter die ersten paar Jahrzehnte noch auf den Schultern hinaufgetragen werden mussten. Wie viel einfacher haben es die Wintersportler heute, denkt Viktoria. Sie setzen sich auf einen Sessellift und Schwups, sind sie oben.
Im Garten des Bergrestaurants trinkt sie einen sauren Most. Befreit atmet sie aus. Was für ein Wechselbad der Gefühle. Sie hat vergessen, wie es sich anfühlt, verliebt zu sein. Leichten Schrittes begibt sie sich zum Aussichtspunkt. Welch ein Ausblick! Ganz oben in Himmelsnähe zu sein. Die weißen Bergspitzen am Horizont leuchten zu sehn. Sich von der Bergluft läutern zu lassen. Ins Alpenglühen eintauchen und alles vergessen.
Erstaunt berührt sie ihre Wange. Ein Regentropfen? Sie blickt zum Himmel empor, der sich zunehmend bewölkt und die Täler in Schatten taucht. Jäh schlägt ihr ein heftiger Wind entgegen. Es schaudert sie.
Das Dunkle lässt sie an Kuno Brunner denken, der vaterlos aufwächst und panisch auf Verlust reagiert. All die Jahre liebt er seine Frau, doch sie erwidert seine Gefühle nicht. Und dann kommt ein Fremder und nimmt sie ihm weg. Er muss erleben, wie sein Traum zerrinnt. Sein Zorn bricht auf. Er folgt seiner Frau in den Mondmilchgubel. Versucht sie umzustimmen. Dabei verliert er die Nerven. Jeder kennt diese Gratwanderungen. Wehe, wenn das innere Gleichgewicht zusammenbricht.
Von Anfang an hat sie Kuno misstraut. Doch es fehlten die Beweise. Sie sieht wieder vor sich, wie sie ihn kurz nach Iris’ Tod in seiner Wohnung aufsuchte. Sie hatte richtig vermutet. Er wird kämpfen bis zum bitteren Ende.
Als sie in der Ferne dumpfes Donnergrollen hört, macht sie sich auf den Heimweg. Immer mehr dunkle Wolken türmen sich auf. Einzig über dem Farner ist der Himmel noch blau. Sie beschleunigt ihren Schritt, lässt sich von den Windböen mitreißen. Es ist ihr mit einem Mal gleichgültig, was mit Kuno geschieht. Sein Leben wird nie mehr dasselbe sein. Bei jedem Mord gibt es nur Verlierer.
Viktoria liegt in der Wanne, als Möller anruft.
»Wir können den Fall Iris Brunner noch nicht ad acta legen. Der Mann ist verschwunden«, schleudert er ihr entgegen.
»Wie verschwunden?«, stottert sie verwirrt.
»Der Lump hat sich aus dem Staub gemacht.«
»Das darf doch nicht wahr sein.«
»Er ist gestern Morgen nach Hongkong abgehauen.«
Sie rechnet. »Das heißt, er hat anderthalb Tage Vorsprung.«
»Wir haben via Interpol eine internationale Fahndung eingeleitet.«
»Wusste sein Geschäftsmitinhaber über diese Reise Bescheid?«
»Nein. Allerdings hat Brunner drei Monate Urlaub eingereicht.«
»Wann?«
»Anfang des Jahres. Er wollte seine Frau mit einer Weltreise überraschen. Wir haben die Tickets in seinem Büro gefunden.«
»Was, er wollte für drei Monate verreisen?«
»Gemäß seinem Kompagnon wollte er eine Auszeit nehmen.«
»Wie es aussieht, hat er nun seine Pläne geändert«, erwidert sie zynisch.
»Dieser Scheißkerl war mir immer eine Nasenlänge voraus«, ereifert er sich. »Ich habe in diesem Fall komplett versagt.«
»Hongkong ist ein guter Ort, um sich einen neuen Pass zu beschaffen.«
»Wir haben herausgefunden, dass er eine größere Summe Geld nach
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