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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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zeigte ein feines Lächeln und ein eigentümliches Gesicht, bartlos und mit einem starken Flaum auf beiden Wangen, das vielleicht gerade deshalb anziehend wirkte.
    »Aber früher sah er doch anders aus«, hatte ich eigensinnig nachgehakt, wohl wissend, dass ich sie mit meinen Fragen belästigte.
    »Du hast doch die Bilder gesehen.«
    »Er war dünner, das schon.«
    Noch heute entsinne ich mich, dass sich bei diesem Gespräch für einen kurzen Augenblick ihr Gesichtsausdruck verändert hatte. Etwas funkelnd Lebendiges war in ihre Augen getreten.
    »Er hatte rote Bänder in seine Locken geflochten, wie ein junger Gott sah er aus, wie Dionysos. Mit ihm war die Welt so offen, so farbig.«
    »Habt ihr Drogen genommen?«
    Der Glanz in ihren Augen erlosch. Ihre Stimme wurde hart. Die Frage hätte ich mir sparen können. Aber ich war damals dreizehn und aufdringlich.
    »Es war eine andere Zeit. Ich sage nicht, eine bessere – jede Zeit hat ihre Atmosphäre. Aber jetzt ist nichts mehr, wie es war. Lass es dir gesagt sein: Ich dulde nicht, dass du kiffst.«
    »Ich kiffe nicht. Ich sehe ja bei Vivi, wie das ist.«
    »Viviane ist kein Umgang für dich.«
    Auf solche Zurechtweisungen reagieren Pubertierende allergisch. Ich war sofort kratzbürstig geworden.
    »Vivi ist clean. Was kann sie dafür, wenn ihre Eltern an der Spritze hängen?«
    Mutters Antwort, das weiß ich noch gut, hatte sich beschwichtigend angehört. »Ja, wenn der Wunsch nach Zerstörung stärker wird als jedes andere Verlangen … Es ist wie eine Sehnsucht, sein Ich zu vernichten. Und wenn es keine Einsamkeit gibt, in die man sich zurückziehen kann …«

    Es überraschte mich, dass sie das sagte. Woran hatte sie gedacht? An die Allgemeinheit? An sich selbst? Für gewöhnlich schwang in Mutters Antworten ein Unterton gelangweilter Besserwisserei mit. Hörte ich zu oder nicht, es schien ihr wenig auszumachen. Aber ich stupste sie immer wieder an wie ein junger Hund, bis ich mir allmählich ein deutlicheres Bild machen konnte. Es war in Brüssel gewesen, als sie die »Giselle« tanzte und bei einem Laufsprung stürzte. Mutters Stimme wurde leise und dumpf, wenn sie darüber sprach. Nein, an Brüssel wollte sie nicht mehr denken, Brüssel hatte ihr kein Glück gebracht. Ein Sehnenriss am Fuß, eine schlimme Verletzung. Sie musste einen Gips tragen. Damals war Geoffrey immer bei ihr, pflegte sie, machte die Einkäufe, kochte die leckeren, schweren maltesischen Gerichte. Ingrid musste viel liegen, hatte zugenommen. Doch als sie wieder auf der Bühne stand, merkte das Publikum nichts, Ingrids linker Fuß war wieder genauso gut wie der andere. Sie machte allerdings unbewusst den für das Tanzen verhängnisvollen Fehler, dass sie ihn schonte. Der zweite Fehler war, dass sie schwanger wurde. Ingrid fühlte sich scheußlich, kämpfte mit Übelkeit, Schwindel. »Wir heiraten«, sagte Geoffrey, und damit war die Sache entschieden.

2. Kapitel
    I ch war ein freundliches, ausgeglichenes Kind, ein Kind, das wenig Mühe machte. Ein vernünftiges Kind, bis auf eine seltsame Angewohnheit: Ich hatte mir einen Bruder erfunden, den ich Tomaso nannte. Keiner sah Tomaso, nur ich. Kinder vermögen sehr wohl in der Welt der Täuschungen und inneren Überzeugungen zu leben. Sie verzerren die Wahrnehmungen, ziehen sie krumm und glauben daran. Ich spielte mit Tomaso, redete mit ihm, indem ich mir selbst Frage und Antwort gab, ließ ihn sogar von meinem Teller essen. Ein Löffel für Tomaso, ein Löffel für mich, das war normal für mich, befremdend für alle anderen. Schwach im Kopf? Wohl nicht, denn ich konnte ja schon mit vier das Einmaleins.
    Ging ich mit den Eltern aus, nahm ich Tomaso an die Hand, führte einen imaginären kleinen Jungen spazieren. Natürlich teilten wir auch unser Kopfkissen, und vor dem Einschlafen erzählte ich Tomaso eine Geschichte. Von den Eltern wurde mein bizarres Verhalten nachsichtig geduldet, obwohl sie sich gelegentlich bedeutungsvolle Blicke zuwarfen. Dann, als ich acht Jahre alt war, fuhren wir im August für eine Woche nach Paris. Am Flughafen herrschte großes Gedränge, alle Flugzeuge hatten Verspätung. Tomaso und mir wurde die Zeit nicht lang, wir spielten selbstvergessen Fangen. Als unser Flug plötzlich aufgerufen wurde, war Tomaso, der kleine Schlingel, irgendwo in der Menge verschwunden. Ich machte mich auf die Suche nach ihm, rief aufgeregt seinen Namen. Endlich fand ich ihn und lief, meinen unsichtbaren kleinen Bruder
an der Hand, zu den

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