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Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Titel: Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jaeckel
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fragte ich und musste in den Augen reiben, weil mir schon wieder etwas hineingeflogen war.
    »Wenn du lieb bist«, antwortete er, »und immer schön folgst und tust, was ich dir sage.«
    »Ich bin ja lieb, Papa«, sagte ich. »Ich bin ja immer lieb. Ich tu ja immer, was du sagst.«
    »Das wollte ich dir auch geraten haben«, sagte mein Vater. »Sonst bring ich dich einfach zurück. Schwups, die Autotür auf, und raus mit dir. Dann holt dich der Esel wieder ab und bringt dich zu anderen Leuten.«
    »Oder ins Kinderheim«, sagte meine Mutter. »Da sind alle Kinder, die keiner will. Da kannst du dann sehen, wie schön es ohne Mama und Papa ist.«
    »Nein!«, rief ich. »Bitte!« Und umarmte meinen Vater so heftig, dass ich mir die Nase an seinem Kinn stieß. »Ich will aber nicht, bitte. Ich will bei euch bleiben!«
    Mein Vater lachte. »Dann sei auch lieb«, sagte er.
    Ich war so klein damals. Aber ich erinnere mich genau, wie dankbar ich war, dass ich bleiben durfte. Lange hielt dieses Gefühl an.

V
    Meiner Mutter ging es gesundheitlich immer schlechter. Vielleicht schlug der Arzt ihr vor, einmal abzuschalten und in Urlaub zu fahren, vielleicht kam die Idee auch von meinem Vater. Jedenfalls verkündete mein Vater uns eines Tages freudestrahlend, dass wir eine Zusage für eine Familienfreizeit in der Eifel erhalten hätten.
    Voller Vorfreude besprachen wir immer wieder, was wir in diesen Tagen miteinander unternehmen wollten. Und endlich war es dann so weit. Wir fuhren los.
    Es gibt verschiedene Anhaltspunkte, dass dieser erste Urlaub meines Lebens Ostern 1972 stattfand. Der wichtigste Orientierungspunkt sind für mich zahlreiche Fotos aus diesen Ferientagen, auf denen Georg – er wurde 1971 geboren – ein Baby ist. Und da ich mit meinen Eltern nur zwei Mal im Urlaub war, das zweite Mal erst nach Georgs Tod, kann es keine Verwechslung geben.
    Und dass es sich um die Ostertage handelte, weiß ich, weil ich mich erinnere, wie wir Kinder im Garten des Urlaubshauses bunte Ostereier suchten. Es war unvergesslich herrlich! Überall hatte mein Vater Nester aus Moos und Stroh für uns versteckt. Wir Kinder jubelten über jeden Fund, und anschließend spielten wir Eierrollen. Dabei nahm jeder ein Ei und rollte es ziemlich fest gegen das Ei des anderen. Mein Vater gewann immer. Sein Ei bekam einfach keinen Sprung, ganz egal, wie hart es auch gegen ein anderes knallte. Das angeknackte Ei erhielt immer der, dessen Ei heil geblieben war. Zuerst machte uns Kindern dieses Spiel sehr viel Spaß. Aber zum Schluss hatte mein Vater fast alle unsere Eier in seinem Körbchen und keiner von uns mehr Lust, gegen ihn weiterzukämpfen.
    »Feiglinge! Nichts da, gekniffen wird nicht! Los, ran an die Buletten! Raus mit den Eiern! Auf geht’s!« Mein Vater war nicht zu bremsen. Erst als auch das letzte gekochte Ei, das Stefan so gehütet hatte, angeknackst und gewonnen war, gab er Ruhe. Jetzt gab er uns die Eier großzügig wieder zurück.
    Wir Kleinen machten uns vergnügt darüber her und gingen gleich ans Abpellen. Nur Stefan wollte keines von den Eiern, nicht einmal sein schönes rotes.
    Darüber musste mein Vater zuerst so furchtbar lachen, dass er gar nicht mehr aufhören konnte. Danach aber bekam Stefan ein paar Ohrfeigen, weil er das rote Ei unbedingt nehmen und essen sollte. Mein Bruder tat schließlich so, als würde er gehorchen. Aber in Wirklichkeit spuckte er heimlich alles wieder aus.
    Jahre später sagte er mir einmal, er habe dieses Eierrollen als total unfair und gemein empfunden. Mein Vater habe ja ein Gipsei benutzt, das nicht kaputtgehen konnte. Ich glaubte ihm nicht – obwohl so viel Zeit vergangen war seither.
    Ich erinnere mich an Ausflüge nach Trier mit seiner Porta Nigra und römischen Ruinen, über die meine Mutter viel zu berichten wusste. Auch dass wir an den Maaren, den vulkanischen Kraterseen der Eifel, waren, weiß ich.
    »Wenn ich dich da reinschmeiße«, sagte mein Vater, »gehst du sofort unter. Soll ich?« Dabei schwenkte er mich an Händen und Füßen über den Ufersaum hinaus.
    »Nein, Papa!«, schrie ich. »Nein! Hilfe! Nein!«
    Da ließ er mich so plötzlich fallen, dass ich mir Ellbogen und Knie aufschlug.
    »Heulsusen mag ich nicht!«, sagte er und gab mir nicht mehr die Hand und sprach mit mir kein Wort und sah mich nicht mehr an. Stundenlang.
    Ich schluckte an meinen Tränen, bis sie mir schwer im Magen lagen. Da brachte ich kein Abendbrot mehr herunter und musste zu Bett.
    Ich weiß nicht, wie

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