Monkeewrench 02 - Der Koeder
aber ihre Sig Sauer steckte im Schulterhalfter, ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie eventuell in den umzäunten hinteren Garten gehen würden, wo sie die Reichweite und Durchschlagskraft der größeren Waffe zu benötigen meinte. Der Derringer war ihre Waffe für brenzlige Situationen innerhalb des Hauses. Hätte sie den getragen, und zwar über den dicken Socken, damit das Knöchelhalfter nicht scheuerte, hätte er gewusst, dass dieser Abend keine Hoffnung auf frische Luft bot. Trotz der Eisenstäbe, die das kleine Haus wie ein Gefängnis aussehen ließen, öffnete Grace nämlich niemals ihre Fenster.
Während Charlie um Magozzi tanzte und seine Krallen über den Ahornfußboden kratzen ließ, schloss Grace die Tür, schob alle drei Riegel vor und gab den Code ein, der die Alarmanlage wieder anschaltete.
Magozzi beobachtete die inzwischen vertraute Prozedur mit einer Traurigkeit, die sich allmählich in widerwillige und verbitterte Resignation verwandelte. Die Gefahr, die ihr Leben so lange heimgesucht hatte, war vorüber. Alles hatte im vergangenen Oktober in einem fürchterlichen Kugelhagel geendet, aber ihre Paranoia war so intensiv wie eh und je geblieben und raubte ihr jede Chance auf ein normales Leben. Gino hatte wahrscheinlich Recht. Grace MacBride wirklich nahe zu kommen oder von ihr zu erwarten, dass sie ihm nur einen winzigen Schritt entgegenkommen würde, war sicherlich ein Traum, der nicht in Erfüllung ging. Sie würde sich niemals sicher fühlen. Nicht bei ihm, unter Umständen bei niemandem.
«Es ist nur Gewohnheit, Magozzi, mehr nicht.» Ihr Rücken war ihm zugekehrt, während sie den Code eingab, und doch hatte sie gewusst, was er dachte.
«Tatsächlich?»
Sie drehte sich um und stieß mit dem Finger sanft gegen seine Brust. «Du spielst den Neandertalermacho, und das weißt du auch, oder? Du möchtest, dass ich die Tür nicht abschließe, weil du ja hier bist, um mich zu beschützen.»
«Das ist absolut nicht wahr», log er. «Wenn du in dieser Gegend die Tür nicht abschließen würdest, hätte ich Todesangst.»
Mit einem angedeuteten Lächeln drehte sie sich um und machte sich durch den kahlen Flur auf den Weg in die Küche. Magozzi und Charlie folgten ihr in respektvoller Entfernung. «Ich hätte eine 300-Dollar-Flasche Burgunder, die nur noch dekantiert werden müsste, oder einen Chardonnay für acht Dollar im Kühlschrank. Welchen ziehst du vor?»
«Ich weiß nicht. Hören sich beide gut an. Kann ich sie nicht mischen?»
Zehn Minuten später trat Magozzi auf die kleine hintere Veranda, sein Weinglas in der Hand, und blieb wie angewurzelt stehen.
Grace' Hinterhof sah aus wie immer – ein kleines Stück ungepflegter Rasen, umsäumt von einem zwei Meter fünfzig hohen Zaun aus solidem Holz, und mittendrin eine alte Magnolie mit ausladenden Ästen, deren Knospen gerade begannen zu erblühen.
Aber es waren drei Holzsessel unter dem Baum gruppiert, wo bisher nur zwei gestanden hatten – einer für Grace und einer für Charlie, den Hund, der glaubte, dass zu ebener Erde Monster wohnten, und sich niemals auf den Boden setzte, wenn Möbelstücke vorhanden waren.
Beruhige dich, Magozzi. Es ist nur ein Stuhl. Es bedeutet gar nichts. Und sie hat ihn wahrscheinlich deswegen besorgt, weil Jackson jeden Tag nach der Schule herkommt.
«Ich habe dir ein Geschenk gekauft», sagte sie hinter ihm.
«Oh?», sagte er so gleichgültig, wie er nur irgend konnte.
«Der Stuhl, Dummkopf. Damit Charlie nicht ständig auf deinem Schoß endet, wenn wir hier draußen sitzen.»
«Oh. Ich dachte, er wäre für Jackson.»
«Neunjährige benutzen keine Möbel, Magozzi. Ich habe ihn für dich gekauft, weil ich dich gern bei mir habe und möchte, dass du dich wohl fühlst.»
«Okay.» Magozzi war froh, dass sie hinter ihm stand und deswegen sein albernes Grinsen nicht sehen konnte.
Ein winziger Schritt. Sie bessert sich, Gino.
Die für diese Jahreszeit ungewöhnliche Wärme hielt auch nach Sonnenuntergang noch eine Weile an, und sie tranken ihr erstes Glas Wein im Hof unter der Magnolie. In einem angenehmen Schweigen saßen sie da, nippten am Wein und horchten auf die gelegentlichen Abendgeräusche in der Nachbarschaft – eine Tür, die unten an der Straße zugeschlagen wurde, das Klappern des Abendbrotgeschirrs, das durchs offene Fenster der Nachbarn zu ihnen drang, und das unvermittelte Zwitschern eines Vogels, der vorwitzig angenommen hatte, dass die Zweige der Magnolie einen sicheren Schlafplatz
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