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Monkeewrench - 03 - Mortifer

Monkeewrench - 03 - Mortifer

Titel: Monkeewrench - 03 - Mortifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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nicht. Sie bewegte den Unterkiefer, versuchte die Ohren frei zu machen, und dann drehte jemand das laute Klingeln herunter. Es war noch immer da, doch es war leiser, versteckte sich hinter den Trommelfellen, dumpf wie ein Telefon, das unter dem Kopfkissen schrillte. Ein anderes Geräusch schlich hinzu. Sharon, erkannte sie, war die Quelle dieses Geräuschs. Als würde sie schreien, so laut sie konnte, allerdings mit geschlossenem Mund, durch die Nase hindurch.
    Du meine Güte! Die arme Sharon. Sie starrte auf etwas Grauenvolles vorne im Wagen, auf der anderen Seite der Gitterstäbe, und Annie wusste, auf was sie starrte. Sie hatte es nur für einen Sekundenbruchteil selbst gesehen, nur ein winziger Eindruck auf ihrer Retina, bevor sie den Blick auf Sharon gerichtet hatte und sich weigerte, erneut nach vorn zu sehen, genauso wie man es im Kino bei einem Horrorfilm tat. Man starrte nicht ununterbrochen auf die Leinwand, wenn etwas Grauenvolles passierte. Man richtete den Blick zu einer Seite, nicht so weit, dass jemand es bemerkte, nur gerade weit genug, und dann später, wenn die Leute einen fragten, wie man es ertrug, sich so etwas anzusehen, zuckte man gelassen die Schultern und sagte, so schlimm wäre es doch eigentlich gar nicht gewesen, wirklich nicht. Es war ein Trick, ein geheimer Trick. Sie hätte Sharon diesen Trick verraten können, denn Sharon starrte noch immer auf all das Blut und die kleinen Fetzen Gehirn und die Knochensplitter, die langsam an der Windschutzscheibe herunterrutschten.
    »Sharon.« Grace streckte die Hand über Annie hinweg aus und berührte Sharons linken Unterarm, der in ihrem Schoß lag wie ein toter Gegenstand. Er war eiskalt. In der Rechten hielt sie noch immer die Neun-Millimeter-Pistole, noch immer auf die Stelle gerichtet, wo Sekunden zuvor Deputy Diebels Kopf gewesen war, bevor sein Leichnam zur Seite und über die Mittelkonsole gesunken war. »Sharon.«
    Annie sah, wie Sharon die Augen ein klein wenig bewegte, kaum weit genug, um es zu bemerken – vielleicht kannte sie Annies Trick ja bereits. Hallo, Sharon. Jemand zu Hause?
    Die Geräusche verebbten, und Sharons Hals geriet in Bewegung. Sie öffnete den Mund, und ein Schnaufen erklang, ein raues Flüstern. »Tut mir Leid wegen des Lärms.« Und dann fing ihre rechte Hand an zu zittern, stark zu zittern, und sie senkte die Pistole langsam, bis die Hand mit der Waffe auf der anderen in ihrem Schoß zu liegen kam. Sie spürte, wie Grace und Annie sie anstarrten, und sie drehte den Kopf und blickte den beiden in die Augen.
    »Tut mir Leid«, sagte sie in gelassenem, völlig kontrolliertem, professionellem Tonfall, der klang, als wäre diese Situation das Normalste auf der Welt, auch wenn ihr Gesicht eine ganz andere Geschichte erzählte. Sharons Gesicht war geisterhaft grau.
    Grace wusste nicht, was sie sagen sollte. Sharon hatte soeben vor ihren Augen den Mann getötet, der sie in Sicherheit gebracht hatte, einen Deputy, genau wie sie selbst einer war, und jetzt entschuldigte sie sich, als hätte sie beim Dinner am Tisch gerülpst.
    »Ich muss es noch einmal tun«, sagte sie unvermittelt und hob die Waffe so schnell, dass Grace es nicht fassen konnte. Sie feuerte zweimal hintereinander und schoss ihre Seitenscheibe heraus.
    Annie schlug die Hände über die Ohren, doch es war bereits zu spät. Augenblickliche Taubheit. Sie hörte nicht, wie das Sicherheitsglas zerbröselte und zu Boden rieselte, als Sharon mit dem Kolben ihrer Waffe dagegen schlug, um an den äußeren Türgriff zu gelangen oder durch das Fenster nach draußen zu kriechen und die Tür von dort zu öffnen, was auch immer erforderlich sein mochte, um aus dem Wagen zu kommen.
    Letzten Endes schaffte sie es einfach nicht. Noch nicht. Sie war zu erschöpft. Eigenartig, wie sehr es einen erschöpfen konnte, so einen kleinen Abzug durchzuziehen. Doch das stimmte nicht wirklich. Auf dem Schießstand konnte sie hundert Schuss abfeuern, ohne die Anspannung in ihrem Finger zu spüren und ohne dass die Muskeln in ihrem Unterarm angefangen hätten zu zittern. Das Töten eines Menschen war es, was so überraschend viel Kraft kostete. Sharon hatte noch nie zuvor jemanden erschossen und sich nicht träumen lassen, dass sie es irgendwann einmal würde tun müssen, trotz allem Training und aller Ausbildung. Sie saß dort auf der Vorderkante ihres Sitzes, um irgendetwas zu tun, an das sie sich nicht recht zu entsinnen vermochte, während ihre Gedanken davonglitten und ständig aufs

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