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Monkeewrench - 03 - Mortifer

Monkeewrench - 03 - Mortifer

Titel: Monkeewrench - 03 - Mortifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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ein wenig zu entspannen und normaler zu werden. Das Horrorkapitel in Atlanta abzuschließen hatte dabei genauso geholfen wie ihre Freundschaft mit Magozzi – und jetzt waren all die Fortschritte schlagartig wieder zunichte gemacht worden, als hätte es sie nie gegeben. Die alte Grace war wieder da und würde für eine lange Weile bleiben.
    Inzwischen war es draußen fast völlig dunkel – Zeit für die Frauen, das Haus zu verlassen –, und sie wechselten sich im Badezimmer ab, während die beiden anderen die Fenster im Auge behielten, Vorder- und Rückseite. Denk daran, auf der Toilette nicht zu spülen. Und benutz nicht die Toilettenrolle! Die Rolle ist aus Holz und Metall und könnte klappern. Nimm neues Papier von der Reserverolle auf dem Wasserkasten.
    Selbst Sharon hatte die Stirn gerunzelt angesichts der Gedankenprozesse, die sogar solch derart winzige Details aus dem Bereich der Möglichkeiten ans Licht zerrten. Grace überließ absolut nichts mehr dem Zufall.
    Annie konnte kaum ihr Spiegelbild erkennen in dem winzigen Spiegel auf dem Arzneischränkchen, und sie dachte, dass es so besser war. Sie hatte vorhin einen kurzen Blick auf ihr Äußeres erhascht, bevor die Sonne hinter dem Wald untergegangen war, und sich kaum wiedererkannt. Es war nicht der Dreck auf ihrem Gesicht oder die verlaufene Wimperntusche, nicht einmal die zerzausten Haare, so unglücklich sie auch darüber war. Das, was Annie ausmachte, schimmerte schließlich durch sämtliche Äußerlichkeiten hindurch – doch eben hatte sie etwas in ihren Augen entdeckt, das sie wie eine Fremde erscheinen ließ. Etwas, das sie nicht mehr gesehen hatte, seit sie siebzehn geworden war. Seit jener Nacht, in der sie herausgefunden hatte, was ein Messer anrichten konnte.
    Als sie im Badezimmer fertig war, ging sie nach draußen und stellte sich zu Sharon ans Küchenfenster. Sie rümpfte die Nase angesichts des leichten Gestanks, der von der schwachen blauen Zündflamme des altmodischen Gasofens aufstieg. »Du bist an der Reihe«, murmelte sie.
    Sharon nickte geistesabwesend, ohne den Blick vom dunklen Hof und dem schwarzen Wald dahinter zu nehmen. Für Annies Geschmack wirkte Sharon zu nervös. Zu angespannt. »Wie lange sind wir schon hier?«
    »Ungefähr vierzig Minuten. Zu lange, wenn es nach Grace geht.«
    »Sie hat Recht. Ich fange an, mich sicher zu fühlen«, sagte Sharon.
    »Das ist es aber nicht. Wir könnten ganz schnell hier drin in der Falle sitzen.«
    »Ich weiß.« Sharon trat vom Fenster weg, dann blieb sie stehen und blickte hinunter auf das alte, wellige Linoleum unter ihren Füßen. »Als ich ein kleines Mädchen war – vielleicht fünf oder sechs Jahre alt –, ging unser Stall eines Nachts in Flammen auf. Es ging alles so schnell, dass keine Zeit mehr blieb, um die Kühe herauszuholen. Die Pferde hatten ein eigenes Tor, das immer offen stand, so dass sie rein- und rausrennen und sich vor den Insekten in Sicherheit bringen konnten. Die brennenden Balken fielen runter, und die Kühe schrien, während sie verbrannten, und man konnte durch das große offene Tor hinein zu den Pferden sehen, die alle dicht zusammengedrängt im Rauch und in den Flammen standen, wieherten, sich gegenseitig traten und zu der Tür starrten, durch die sie sonst hundertmal am Tag rein- und rausliefen.«
    Annie stand reglos da, während Sharon ins Bad ging. Sie blickte durch das Fenster nach draußen auf den dunklen Hinterhof, zu der Wäscheleine in der Ecke, auf die Zinnien, die jemand entlang der Pfähle gepflanzt hatte, und sie fühlte sich mit einem Mal ein wenig albern, weil sie nach bewaffneten Soldaten Ausschau hielt, die nach ihr suchten, um sie zu töten. Plötzlich erschien alles so surreal, und Annie spürte, wie ihre Gedanken sich selbständig machten und ihr einzureden versuchten, das diese Geschichte viel zu absurd wäre, um wahr zu sein. Es konnte unmöglich Soldaten geben an einem Ort mit Wäscheleinen und Zinnien, und selbst wenn es welche gab, dann waren sie nicht auf Mord aus. Sie machten sich unnötig Sorgen, waren überflüssigerweise in Panik, zogen voreilige Schlüsse und ließen sich von Grace’ Paranoia anstecken, obwohl sie in Wirklichkeit absolut sicher waren in ihrem Versteck …
    Dann schloss sie die Augen und sah den brennenden Stall vor sich, von dem Sharon erzählt hatte, und plötzlich wollte sie ganz schnell aus dem Haus verschwinden. Auf der Stelle.
    Drei Minuten später kauerten die Frauen hinter der Vordertür und spähten

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