Monkeewrench 04 - Memento
mit all ihren schrecklichen Dingen aussperrte.
Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn in die Küche, warf einen Blick auf das, was da auf dem Herd vor sich hin köchelte, schenkte zwei Gläser Wein ein und setzte sich ihm gegenüber an den Küchentisch. «Erzähl mir davon», sagte sie, und Magozzi dachte, dass noch nie zuvor eine Frau so etwas zu ihm gesagt hatte. Es war wie ein Zauberspruch.
Das hat Gino mit Angela, dachte er. Man kommt erschöpft und frustriert nach Hause, und da steht diese wundervolle Frau, die sich wirklich dafür interessiert, wie man den Tag Verbracht hat. Das war keine Kleinigkeit. Es war mehr, als nur die Zeit zu teilen, die man gemeinsam verlebte - man wollte auch die Zeit teilen, die man getrennt war, und für Magozzi war das gleichbedeutend mit dem Wunsch, das ganze Leben miteinander zu verbringen. Er fragte sich, ob Grace wohl bewusst war, was sie da tat. «Was lächelst du denn so, Magozzi?»
Magozzi entwickelte langsam eine Abneigung gegen sein eigenes Zuhause. Es war dunkel und leer, und schlimmer noch, es gab dort weder eine Frau noch einen Hund. Heute war es ihm unwahrscheinlich schwer gefallen, von Grace wegzugehen, aber er musste früh aufstehen und vorher noch einen ansehnlichen Stoß liegen gebliebener Berichte durcharbeiten. Und mit Grace im Flanellpyjama neben sich war an konzentriertes Lesen nicht zu denken.
Er holte sich ein Summit Pale Ale aus dem Kühlschrank, machte den Fernseher an und wappnete sich für die Zehn-Uhr-Nachrichten.
Man merkte, dass die Nachrichtenteams den ganzen Tag Zeit gehabt hatten, die Geschichte auf größtmögliche Wirkung zu trimmen. Die flammenden, hochdramatischen Berichte, gespickt mit Adjektiven im Stil von entsetzlich, schockierend und grauenvoll, kamen vor dem Hintergrund der kunstvoll montierten Bilder hervorragend zur Geltung und gaben dem gut abgesicherten Verbrechensschauplatz das Erscheinungsbild einer Massenpanik in einem Fußballstadion. Besonders eindrucksvoll waren die Bilder der weinenden, brüllenden Kinder, die hilflos zusehen mussten, wie uniformierte Beamte einen Schneemann nach dem anderen zerstörten. Ausnahmslos jeder Bericht ließ das MPD als eine Horde herzloser Deppen dastehen.
Sie alle zeigten Ausschnitte aus Chief Malchersons Pressekonferenz, doch nicht einer davon war gut. Der Chef war ein Meister der ruhigen, direkten Präsentation, aber diesmal kam er damit nicht durch. Er brachte überzeugende Argumente dafür, dass es sich wohl um einen ehemaligen Häftling handeln musste, mit einem Hass auf die Polizisten, die ihn hinter Gitter gebracht hatten, doch die Journalisten wiederholten immer nur die eine Frage, die man sich auch bei der Polizei bereits gestellt hatte: Was für eine Sorte Mörder macht Schneemänner aus seinen Opfern? Das war doch wie in einem schlechten Film.
Kristin Keller von Channel 3 gab dem Ganzen noch eine sehr viel sensationslüsternere Wendung. Während der Sender zeigte, wie Gino und Magozzi sich ihren Weg durch die Reportermenge vor der City Hall bahnten, hörte man aus dem Off ihren düsteren Kommentar im besten Weltuntergangston: «Man kann nicht umhin, sich zu fragen, ob das Minneapolis Police Department die Wahrheit zurückhält, um die Einwohner der Stadt nicht in Panik zu versetzen. Ein Kriminalpsychologe im Ruhestand, der anonym bleiben möchte, hat der Berichterstatterin im Gespräch verraten, dass die aufwändige Präsentation der Opfer als Schneemänner ganz klar für einen psychopathischen Serienmörder spricht...» Nach einer dramatischen Kunstpause schwenkte die Kamera direkt auf sie. «Ein Serienmörder, der sicher schon bald erneut zuschlagen wird.»
Noch ehe Magozzi Gelegenheit fand, den Fernsehbildschirm mit der Faust zu zertrümmern, klingelte das Telefon. Er brauchte nicht auf das Display zu schauen, um zu wissen, wer da anrief.
«Hallo, Gino.»
«Leo, ich fordere dich nachdrücklich auf, dir zu meinem Anteil an diesem Gespräch so viele Flüche dazuzudenken, wie du willst. Ich sitze hier nämlich mit meinen Kindern und kann mich nicht selbst darum kümmern.»
«Ich nehme an, du schaust auch gerade Channel 3.»
Gino knurrte, konnte sich aber nicht zu einer nicht jugendfreien Äußerung durchringen.
«Sie hat nichts gesagt, worüber wir nicht auch schon nachgedacht hätten, Gino.»
«Es geht nicht darum, was sie gesagt hat, sondern, wie sie es gesagt hat. Alles nur blödsinnige Panikmache. Mit dem Erfolg, dass jetzt alle Kinder Angst vor Schneemännern haben
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