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Monkeewrench 04 - Memento

Monkeewrench 04 - Memento

Titel: Monkeewrench 04 - Memento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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was geht und sich dann auch noch in so ein Kostüm wirft.»
    McLaren schaute immer noch verdutzt auf die Tür, hinter der Gloria verschwunden war.
    Seit einer Stunde war es schon stockdunkel, und immer noch hörte Grace von draußen das enervierende Kratzen von Schaufeln auf Beton. In einem Arbeiterviertel wie diesem waren Schneegebläse nicht sehr verbreitet, und man hörte den ganzen Tag die Schaufeln, die Gehwege und Einfahrten von den Schneemassen des Vortags befreiten. Einige wurden von unermüdlichen Jugendlichen bedient, die von Haus zu Haus trotteten, um sich mit harter Arbeit ein bisschen Geld zu verdienen. Inzwischen gab es allerdings nicht mehr allzu viele dieser Mini-Unternehmer: Die meisten Kinder hockten vor dem Fernseher oder vor ihrer Playstation und warteten auf das Taschengeld, das sie sich mit ihrer bloßen Existenz verdienten. Und die wenigen, die die kleinen, alten Häuser an der Ashland Avenue in St. Paul abklapperten, wussten, dass sie es bei Grace MacBride gar nicht erst zu versuchen brauchten.
    Als sie das Haus vor sechs Jahren gekauft hatte, hatte sie Hightech-Heizroste in die Einfahrt legen lassen, sodass man dort theoretisch selbst im schlimmsten Schneesturm noch rollerbladen konnte. Grace hatte nichts gegen körperliche Arbeit, doch damals hatte sie sich vor gar nicht wenigen Leuten verstecken müssen und wollte sich auf keinen Fall so lange ungeschützt draußen zeigen, wie es dauerte, eine Schneise durch den Winterschnee von Minnesota zu schlagen. Inzwischen wollte sie angeblich niemand mehr umbringen, aber es war natürlich blanker Unsinn, ein Risiko einzugehen.
    Heute Abend gab sie sich in dem gemütlichen kleinen Haus, das sie in eine Festung verwandelt hatte, der Mac- Bride'schen Version eines legeren Abends hin.
    Man sah Grace selten in diesem Aufzug - bis auf Charlie natürlich, doch da die menschliche Sprache das einzige Kunststück war, das der Hund noch nicht beherrschte, erzählte er es nicht weiter. Der Flanellpyjama war ein Geschenk von Roadrunner: Er war weich und warm und - der liebe Lulatsch! - schwarz. Auch sonst war es offenbar ein wirklich gut durchdachter Kauf gewesen, denn die Hosenbeine waren so weit, dass sie rasch nach der Derringer greifen konnte, die sie immer um den Knöchel trug, wenn sie zu Hause arbeitete. Trotzdem erschien Grace allein schon die Tatsache, dass der weiche Flanellstoff so leicht war, gefährlich. Sie hatte lieber festeren Stoff zwischen sich und der Welt.
    Und wäre es nicht Magozzi gewesen, hätte sie auch niemals die Haustür geöffnet. Als er sie sah, zog ein albernes kleines Grinsen über sein Gesicht. «Ein Pyjama. Das finde ich außerordentlich ermutigend.»
    «Du bist früh dran, Magozzi.»
    «Ich dachte, ich helfe dir beim Kochen.»
    «Das Essen steht schon auf dem Herd. Ich wollte mich gerade anziehen.»
    «Dabei kann ich dir auch helfen.»
    Grace verdrehte die Augen und trat zur Seite, damit Magozzi seinen Mantel aufhängen und Charlie begrüßen konnte. Inzwischen war er so oft hier, dass der Hund nicht mehr völlig aus dem Häuschen geriet, sobald er zur Tür hereinkam. Die Freude war immer noch groß, aber etwas zurückhaltender, fast schon respektvoll, als wäre Magozzi in Charlies Hundewahrnehmung vom Spielgefährten zum Herrchen aufgestiegen. Grace wusste nicht recht, wie sie das finden sollte. «Für einen Polizisten mit zwei frischen Morden am Hals bist du aber erstaunlich gut gelaunt.»
    Magozzi streichelte weiter den Hund, ohne auch nur den Kopf zu heben. «Du hast es schon gehört?»
    «Harley und Roadrunner haben mich angerufen und mir gesagt, ich soll den Fernseher anmachen.»
    Er richtete sich auf und sah sie an, und jetzt lag nichts Fröhliches mehr in seinem Blick. «Es waren Polizisten, Grace. Beide.»
    In den anderthalb Jahren, die er sie jetzt kannte, hatte Magozzi nur selten erlebt, dass Grace offen irgendwelche Gefühle äußerte. Sie war Mitte dreißig, und dennoch fand sich in ihrem Gesicht keine einzige Falte, kein Lachfältchen um die Mundwinkel, keine Spur von Stirnrunzeln zwischen den Brauen. Es war wie das unbeschriebene Gesicht eines Babys, in dem die Freuden und Schmerzen des Lebens ihre reizenden Spuren noch nicht hinterlassen hatten. Das machte Magozzi immer ein wenig traurig. Manchmal allerdings, wenn er genau hinsah, entdeckte er Dinge in ihren Augen, die einfach nicht den Weg hinaus fanden.
    Jetzt sagte sie: «Das tut mir leid, Magozzi», und er spürte, wie eine Tür zufiel und die Welt draußen

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