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Monkeewrench 05 - Sieh mir beim Sterben zu

Monkeewrench 05 - Sieh mir beim Sterben zu

Titel: Monkeewrench 05 - Sieh mir beim Sterben zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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nie benutzt worden. Die Wohnung offenbarte nichts von der Persönlichkeit ihres Besitzers, mit Ausnahme eines Couchtischs, der als Präsentationsfläche für eine lange Reihe gerahmter Fotos diente. Jedes einzelne zeigte den Richter mit einem lächelnden, gutaussehenden jungen Mann.
    «Schöne Wohnung haben Sie da, Herr Richter», sagte Gino höflich. «Und alles andere als bescheiden.»
    «Verglichen mit meinen früheren Wohnorten ist sie ein gewaltiger Schritt nach unten. Die Möbel sind fast alle von IKEA und von Target, aber für den Moment genügt mir das. Würden Sie ein kleines Trankopfer mit mir darbringen? Ich trinke gerade einen angeblich von Hand hergestellten Bourbon, was wohl bedeutet, dass irgendein zahnloser Bergbewohner aus den Ozarks das Gebräu daheim in der Badewanne angerührt hat. Aber ich muss sagen, er ist recht rund.»
    «Nein danke.» Magozzi konnte den Blick nicht von dem Couchtisch mit den Fotos abwenden. «Vielen Dank übrigens für den Früchtekorb.»
    «Es war mir ein Vergnügen.» Der Richter folgte Magozzis Blick und schwenkte das Glas in die Richtung der kleinen Ausstellung. «Das ist mein Sohn. Vermutlich ein wenig abgeschmackt, ihm einen so auffälligen Altar zu bauen, aber wenn man ein Kind verliert, noch dazu das einzige, spielen die eigenen Empfindlichkeiten, etwa in Bezug auf die Inneneinrichtung oder andere Dinge, plötzlich kaum noch eine Rolle.»
    Magozzi und Gino wanden sich innerlich, als sie an den erbarmungslosen Medienzirkus und die vielen Spekulationen zurückdachten, die auf den Selbstmord des Sohnes gefolgt waren. Er hatte sich gar nicht erst mit so unzuverlässigen Methoden wie einer Überdosis Schlaftabletten oder aufgeschnittenen Pulsadern abgegeben, sondern gleich den sicheren Weg gewählt – eine .44er mit Magnum-Geschoss.
    «Das tut uns wirklich furchtbar leid, Sir», sagte Gino schließlich mit dem ehrlichen Mitgefühl eines Mannes, der selbst Vater war. «Ganz furchtbar leid.»
    «Ja, mir auch. Über so etwas kommt man nie richtig hinweg. Wie man sieht.» Der Richter bedachte sie mit einem schwachen traurigen Lächeln, hob dann mit gezwungener Tapferkeit sein Glas und leerte es in einem Zug. «Nachdem es passiert war, suchten alle ständig nach dem Grund, warum ein netter, intelligenter junger Mann mit einer vielversprechenden Zukunft so etwas tut. Mein Gott, ich wollte ja selber einen, obwohl ich gar nicht recht weiß, weswegen. Es gibt doch eigentlich keinen Grund, der eine solche Tat rechtfertigt, und selbst wenn es ihn gäbe, würden die Nachwehen dadurch auch nicht erträglicher.»
    Magozzi schüttelte den Kopf. «Nein, das glaube ich auch nicht.»
    Der Richter füllte erneut sein Glas. «Wissen Sie, in letzter Zeit habe ich festgestellt, dass Leute, die eine große Schuld mit sich herumschleppen, alle wie verrückt nach einem Erlöser suchen, überall, egal in welcher Form und Farbe. Vom Kopf her finde ich diesen Drang nach Erlösung überaus albern, aber ich fürchte, emotional bin ich ihm längst selbst verfallen. Der einzige Unterschied zwischen mir und den irregeleiteten Massen besteht darin, dass mein persönlicher Messias mit Vorliebe flüssig ist und von einem warmen Bernsteinton.»
    «Haben Sie schon mal über eine Rosskur nachgedacht, Herr Richter?», fragte Gino.
    Der Richter musterte ihn belustigt. «Nicht ein einziges Mal, Detective Rolseth. Im Entzug darf man schließlich nichts trinken.»
    «Darum geht’s ja gewissermaßen. Und es wäre sicher nicht das Schlimmste auf Erden. Das haben Sie doch bereits erlebt.»
    «Da haben Sie allerdings recht. Dennoch glaube ich nicht daran, dass Alkoholsucht eine Krankheit ist. Ich halte sie für eine bewusste Wahl und bin sehr glücklich mit meiner Entscheidung. Das ist vielleicht keine allzu fortschrittliche Einstellung, aber es ist nun einmal die Wahrheit. Zumindest meine persönliche Wahrheit.»
    Er ging zu einer Sitzecke hinüber, die einen atemberaubenden Blick auf den Mississippi bot. «Ich werde mich jetzt setzen und lade Sie herzlich ein, es mir gleichzutun.»
    Magozzi und Gino folgten seinem Beispiel und nahmen in harten, ultramodernen Sesseln Platz, die so unbequem waren, dass man fast den Eindruck bekommen konnte, sie seien genau dafür entworfen.
    «Darf ich den Herren zumindest ein paar Zigarren anschneiden, wenn Sie schon nichts trinken wollen? Das Beste, was Kuba zu bieten hat – klassisches Banngut, das ein befreundeter Diplomat alle zwei Jahre für mich einschmuggelt. Da solche

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