Monkeewrench 05 - Sieh mir beim Sterben zu
kleinen Gesetzesverstöße nicht in Ihren Bereich fallen, können Sie sich den Genuss ja ohne größere moralische Bedenken erlauben.»
Magozzi schüttelte den Kopf. «Wir haben nur eine kurze Bitte an Sie, dann lassen wir Sie schon wieder in Frieden.» Er sah Enttäuschung in den Augen des Richters aufblitzen, vielleicht auch ein klein wenig Verzweiflung. In diesem Bruchteil einer Sekunde erkannte er, was Richter Jim Bukowski im tiefsten Innersten war – oder zumindest geworden war: die leere Hülle eines Menschen, ausgehöhlt von persönlichen Tragödien, der zumindest für den Augenblick nicht mit seinen Dämonen allein sein wollte.
«Wie Sie meinen. Sie sind zweifellos formvollendete Profis, und das weiß ich zu schätzen, vor allem angesichts meines eigenen derzeitigen Zustands als geächteter einstiger Justizbeamter, dem es nie wieder vergönnt sein wird, die Mitgliedsbeiträge der Richtervereinigung zu zahlen. Um was für eine Bitte handelt es sich denn?»
«Wir wurden heute früh von einem Polizisten angerufen, der hier im Viertel auf Streife ist. Ein gewisser Officer Rondestvedt.»
«Ach ja. Der nette junge Mann mit dem unaussprechlichen, für diese Gegend aber durchaus passenden Eingeborenennamen. Er war so freundlich, mich gestern Nacht in meine Wohnung zurückzubegleiten.»
«Haben Sie ihm erzählt, dass Sie gemeinsam mit uns im Fall des Ertrinkungstodes ermitteln?»
«Aber nicht doch. Ich kann mir vorstellen, dass er das aus unserer Unterhaltung geschlossen hat, aber den Ausdruck gemeinsam ermitteln habe ich nie in den Mund genommen.»
Gino, der Ausflüchte nur schlecht vertragen konnte, seufzte. «Hören Sie, Richter, das geht so nicht, okay? Keine Namen, keine dunklen Andeutungen und auch sonst keine Salbadereien mehr zu den Jungs am Fluss, verstanden? Wenn Sie gegen irgendein Gesetz verstoßen, müssen Sie sich schon anders rauswinden. Uns macht es nur noch mehr Arbeit, wenn Sie unsere Namen überall herumposaunen, und wir haben so schon alle Hände voll zu tun.»
Der Richter nickte mit düsterer Miene. «Das verstehe ich. Und ich werde Ihre Bitte beherzigen, weil ich Sie beide sehr schätze und respektiere. Außerdem entschuldige ich mich in aller Form für die Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen womöglich schon bereitet habe. Aber ich will ganz offen sein: Ich war mein Leben lang in der Rechtsprechung tätig, riskiere aber selbst nichts mehr dabei. Wenn ich Ihnen also irgendwie behilflich sein kann …» Er ließ den Satz vielsagend in der Luft hängen.
Gino löste den Blick nur mit Mühe von der Aussicht auf den Fluss, die ihn spontan an seiner Berufswahl zweifeln ließ. «Sie könnten uns schon mal unheimlich helfen, wenn Sie sich an irgendwelche Details aus jener Nacht erinnern würden.»
«Ich kann mich nicht mal mehr an die Nacht selbst erinnern.» Der Richter musterte die beiden Polizisten aus zusammengekniffenen Augen. «Natürlich habe ich versucht, den Fall so weit wie möglich in den Medien zu verfolgen. Aber Sie wissen ja sicherlich selbst, dass die Sache weder in St. Paul noch in Minneapolis große Schlagzeilen gemacht hat.» Er hielt kurz inne und bedachte sie mit einem wissenden Lächeln. «Haben wir der Presse etwa einen geschönten Polizeibericht zu lesen gegeben?»
Magozzi gab sich gleichgültig. «Wie kommen Sie denn darauf?»
Der Richter ließ ein heiseres, kehliges Kichern hören. «Weil in keiner Zeitung und in keiner Lokalnachrichtensendung etwas Genaueres gesagt wurde. Es gab keine Fotos, nur eines vom Verladen des Leichensacks. Nicht einmal das Geschlecht des Opfers fand Erwähnung. Es ist Ihnen anscheinend hervorragend gelungen, die Presse vom Tatort fernzuhalten, und das wiederum macht die Sache hochinteressant. Vor allem in Tateinheit mit dem Umstand, dass sich das Morddezernat mit einem Fall befasst, der auf den ersten Blick wie ein Unfall aussieht.»
Magozzi musterte seine Hände und wünschte sich jetzt fast, er hätte den angebotenen Drink genommen. Bisher war der Ertrinkungstod am Fluss tatsächlich nur unter ferner liefen erwähnt worden. In Minnesota ertranken ständig Leute, und ein Großteil davon war in den vergangenen Jahren dem Mississippi zum Opfer gefallen. Die Anwohner gingen gewöhnlich davon aus, dass es sich um Einwanderer handelte, die jede größere Wasserfläche als eine Art Gratis-Fischgeschäft betrachteten, sich aber nicht die Mühe machen wollten, vorher schwimmen zu lernen. Daher erregten Artikel darüber kaum Aufmerksamkeit und
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