Monkeewrench 06 - Todesnaehe
hatte. «… an dem Messer aus der Spüle waren immerhin Blutspuren von Aimee Sergeant, und die Fingerabdrücke gehören zu einem der beiden Toten.»
Chief Malcherson füllte ein ganzes Zimmer, wenn er hereinkam, nicht nur weil er so groß war, sondern auch weil er große Präsenz besaß. Wie immer wirkte er auch diesmal wie ein viel zu gut gekleidetes Alien in der fremden Welt aus abgenutzten Schallschutzwänden, grundpragmatischen Büromöbeln und Untergebenen in billigen Anzügen und Krawatten.
Die drei Detectives begrüßten ihren Chef im Chor.
Malcherson nickte ihnen zu und wandte sich dann an Magozzi und Gino. «Wie ich höre, meine Herren, glauben Sie, dass eine Verbindung zwischen den Entführern der Mädchen und den Morden vor dem Sprengstoffhaus bestehen könnte?»
«Wo haben Sie das denn her, Sir?», fragte Gino.
«Special Agent Shafer sagte, sein Mitarbeiter, der gestern bei der Evakuierung dabei war, hätte ihm von den Kalendern erzählt, die Sie in beiden Häusern entdeckt haben. Sehr guter Blick fürs Detail, Detectives.»
«Das hat wahrscheinlich gar nichts zu bedeuten», meinte Magozzi. «Hoffen wir zumindest.»
«Agent Shafer bat mich außerdem, Ihnen mitzuteilen, dass seine Agenten die Mädchen im Krankenhaus vernommen haben. Alle vier haben die ermordeten Somalier, die sie bewachten, zweifelsfrei als die Männer identifiziert, die sie aus dem Reservat entführt haben. Er sagt, ich soll Ihnen für die Unterstützung in dem Entführungsfall danken.»
Gino rang sich ein halbes Lächeln ab. «Ich bin überzeugt, Shafer wird das MPD auch in seiner nächsten Pressekonferenz zu würdigen wissen.»
Malcherson musterte ihn wie einen lästigen Verwandten, der jedes Jahr an Thanksgiving zu Besuch kommt und beim Abendessen schlechte Witze erzählt. «Halten Sie mich auf dem Laufenden, wie Sie mit den vier Morden vorankommen.»
McLaren wartete, bis die Tür sich wieder hinter Malcherson geschlossen hatte, dann stand er auf und streifte ein traurig wirkendes Sportsakko über. «Ich lass euch nur ungern allein, aber ich muss zu einer Anhörung ins Gericht.»
«Wieder mal besoffen Auto gefahren?», erkundigte sich Gino angelegentlich.
«Keineswegs. Aber dieser Scheißkerl, der fünf Angehörige derselben Familie umgebracht hat, will mich wegen unzulässiger Polizeigewalt verklagen, weil seine Handschellen etwas zu fest saßen.»
«Sind ihm die Hände abgefallen?»
«Nein.»
«Dann kann dir ja nichts passieren. Bis später.»
Gino ließ sich wie ein Felsbrocken auf seinen Schreibtischstuhl fallen und vertiefte sich in seine Unterlagen.
Magozzi tat es ihm gleich und drehte an den Einstellhebeln seines neuen Bürostuhls herum, die er noch nicht ganz durchschaut hatte. Komisch, dass Schreibtischstühle inzwischen fast komplizierter waren als Computersysteme.
KAPITEL 20
M cLaren war gerade zehn Minuten weg, als an der Telefonanlage das Lämpchen für den Anschluss des Morddezernats aufleuchtete. Magozzi musterte das klobige Telefon, das mindestens schon zehn Jahre auf dem Buckel hatte. Die technische Entwicklung hatte sich inzwischen dermaßen beschleunigt, dass zehn Jahre, gemessen an heutigen Maßstäben, eher einem Jahrhundert gleichkamen. Aber das Gerät funktionierte noch, und das Budget war immer viel zu knapp, um unnötig Geld für neue Telefonanlagen zu verschwenden. Außerdem hatte die Sparsamkeit der Dienststelle den Vorteil, dass Magozzi wusste, wie man das Telefon bediente, und auch die Tasten noch lesen konnte, im Gegensatz zu den winzig kleinen an seinem neuen schicken Handy. Wenn das so weiterging, konnte es nicht mehr lange dauern, bis die Welt komplett auf Erdnussgröße geschrumpft war und der Mensch einfach nicht mehr hineinpasste.
«Na klasse», ließ sich Gino vom Schreibtisch gegenüber vernehmen. «Schon wieder ein Mord.»
Magozzi las die Nummer von der Anzeige ab. «Der Notruf ist es nicht und auch kein durchgestelltes Gespräch aus der Zentrale. Das ist ein direkter Anruf von außen.» Er nahm den Hörer ab und meldete sich. «Morddezernat Minneapolis, Detective Magozzi.»
«Hier spricht Detective Kramer vom Morddezernat Detroit. Ich kann mir denken, dass Sie heute alle Hände voll zu tun haben, aber hätten Sie vielleicht trotzdem ein paar Minuten Zeit für mich?» Der Anrufer klang angespannt, gereizt und ein wenig heiser, als hätte er gerade eine Kehlkopfentzündung hinter sich. Vielleicht aber auch nur eine durchsoffene Nacht.
Magozzi schwieg einen Augenblick.
Weitere Kostenlose Bücher