Monschau und das Monschauer Land
Glasveranda ist kaum noch ein Platz zu finden. Kellnerinnen eilen mit Gläsern und Kaffeekannen, mit Kuchen und Limonade hin und her, bedienen hier, räumen dort ab. Die Fischerhütte ist das größte und beliebteste Ausflugsrestaurant in Monschaus Umgebung. Doch besser würde man sagen, sie war es,denn der hier skizzierte Nachmittag hat sich Dutzende und Aberdutzende Male zwischen 1911 und 1920 abgespielt. Damals konnte der Besitzer sogar mit Recht damit werben, dass sein Etablissement das „schönste und sehenswürdigste Lokal des Rurtales“ sei.
Rur an der Fischerhütte
Das war einmal. Nichts ist mehr geblieben, als der Name Fischerhütte für den Flecken an der Rur zwischen Dreistegen und Reichenstein, nahe der Einmündung des von Mützenich herabkommenden Schlüsselbachtals. Ein paar, kaum noch auffallende, von Brennesseln und Brombeerranken fast verdeckte Mauerreste verraten, dass hier einmal etwa Besonderes gewesen ist. Und auch die Fußgängerbrücke, die heute an dieser Stelle noch immer, wenn auch erneuert, über die Rur führt, ist eine Erinnerung an jenes Lokal, das in der Einsamkeit des Rurtals einen ebenso jähen Fall erleben musste, wie es ein paar Jahre vorher als strahlender Stern aufgestiegen war.
Am 2. März 1911 erhielt der Aachener Delikatessenhändler Matthias Kaasch die Genehmigung, seine Jagd- und Fischereihütte an der Rur in ein Ausflugslokal umzuwandeln. Die Veränderungen waren gewaltig. Binnen weniger Monate ließ Kaasch einen großen Restaurantbau errichten mit einer Glasveranda für nicht weniger als 600 Personen. Ein Klavier und Billardtische waren ebenso vorhanden wie Kinderspielplatz, Turnhalle, Badegelegenheit in der Rur. Sogar eine Sommerrodelbahn wurde installiert.
Wanderer im Rurtal
Künstliche Wasserfälle wurden angelegt, die Gäste konnten es sich bei gutem Wetter draußen in Hängematten bequem machen. Kaasch bot ihnen auch an, in seiner Feld- und Waldjagd ebenso zu jagen, wie in der Rur Forellen zu fischen. Kurz, die Fischerhütte , wie das Lokal genannt wurde, blühte binnen Kurzem zu ungeahnten Ausmaßen auf. Daran änderten auch die Kriegsjahre zwischen 1914 und 1918 nur wenig.
Es war vor allem das wohlsituierte Bürgertum aus Monschau, das am Sonntagnachmittag zur Fischerhütte pilgerte, junge Leute gingen gerne dorthin, weil es ebenso wie im einsam gelegenen Gasthaus Grünenthal unterhalb von Monschau sonntags nachmittags Tanz hier gab. Auch von Aachen kamen immer mehr Besucher. Sie fuhren bis zum Bahnhof Monschau mit der Eisenbahn, gingen dann zu Fuß über Monschau ins Rurtal. Wanderer wussten wohl auch den Pfad vom Bahnhof her zum Schlüsselbach und am Schlüsselbach entlang zur Fischerhütte zu finden.
Doch allmählich wandelte sich die Art des Publikums. Mehr und mehr kamen solche Gäste, die ein Wirt nicht immer gerne sieht. Saufgelage, Grölereien und Keilereien waren fast an der Tagesordnung.
Es mag sein, dass dies einer der Gründe war, die Matthias Kaasch veranlassten, die Fischerhütte im Jahre 1919 an den ebenfalls aus Aachen stammenden Nikolaus Becker zu verkaufen.
Doch schon nach gut einem Jahr war es mit der Fischerhütte zu Ende. Warum, das weiß niemand bis heute so genau.
Es gibt nur Vermutungen über die Gründe, die dazu geführt haben könnten, dass dem einzigartig steilen Aufstieg der Fischerhütte zum meistbesuchten Ausflugslokal in Monschaus Umgebung ein so jäher Fall folgte. Da Becker sich nicht zu seinen Beweggründen äußerte, warum er das Lokal schließen und das Inventar versteigern ließ, wucherten natürlich die Spekulationen. Eine ging dahin, dass infolge verheerender Waldbrände, die im Frühjahr 1920 in der Nähe der Fischerhütte wüteten, anschließend die Brandschutzauflagen für das Lokal so drastisch verschärft wurden, dass der Besitzer angesichts der ohnehin beginnenden wirtschaftlich schwierigen Zeit keinen Spielraum mehr sah.
Schutzhütte an der Fischerhütte
Andererseits war Nikolaus Becker in einen Jahre dauernden Prozess vor dem Landgericht Aachen mit der Stadt Monschau verwickelt. Dabei ging es um den Vorwurf der Stadt, der Besitzer der Fischerhütte habe es mit dem städtischen Eigentum nicht so genau genommen und habe in der Umgebung der Fischerhütte Bäume fällen lassen, die nicht ihm, sondern der Stadt Monschau gehörten. Mag sein, dass dieser Prozess der Fischerhütte den Garaus gemacht hat. 1922 jedenfalls gab es die Fischerhütte nicht mehr, sie war abgerissen worden, nur ein paar Mauern blieben
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