Monster
entfernt, der Himmel nur noch ein schmaler Streifen, da mein Gesichtsfeld von den Felswänden dominiert wurde, deren Konturen zusehends an Schärfe gewannen. Ich erkannte Verwerfungen, Falten, Klüfte - dunkelgrau vor noch dunklerem Grau vor einem schwarzen Hintergrund. Und dann noch etwas anderes.
Ein winziger weißer Fleck. Zwanzig, allenfalls dreißig Meter links der Piste, auf der wir uns dahinschleppten.
Ich blieb stehen, kniff die Augen zusammen und starrte in die Dunkelheit. Weg. Hatte ich es mir nur eingebildet?
Milo hatte es nicht gesehen; er stapfte weiter im Schneckentempo dahin, ohne anzuhalten.
Ich ging ebenfalls weiter, doch ein paar Augenblicke später sah ich es erneut.
Eine weiße Scheibe, die an den Felsen auf und ab tanzte. Die sich ausdehnte zu einem Oval, ihre Farbe wechselte von einem milchigen Weiß zu einem trüben Grau und schließlich schwarz wurde und ganz verschwand.
Ein Auge.
Das Auge.
Milo blieb stehen. Ich ging ein paar Schritte weiter und hielt neben ihm an. Gemeinsam standen wir da, starrten auf die Felsen und warteten.
Wieder tauchte die Scheibe auf. Tanzte auf und ab und zog sich dann zurück.
Ich flüsterte: »Eine Kamera. Vielleicht ist sie noch am Leben.«
Ich wollte loslaufen, doch Milo, der das wohl geahnt hatte, legte seine Hand auf meine Schulter und flüsterte mir hastig zu: »Wir wissen immer noch nicht, was das zu bedeuten hat. Er darf nicht merken, dass wir da sind. Verstärkung wäre prima. Ich mache noch einen Versuch bei Whitworth. Wenn wir näher rangehen, wird es zu riskant.«
Er zückte das Telefon, tippte die Zahlen ein und schüttelte den Kopf. Er schaltete das Gerät aus und sagte: »Also gut, immer schön langsam und vor allem leise. Selbst wenn es den Eindruck macht, als würden wir nie ankommen. Wenn du mir was sagen willst, tipp mir auf die Schulter, aber ansonsten kein Wort, außer es ist wirklich wichtig.«
Weiter.
Die Scheibe tauchte erneut auf und verschwand wieder, nachdem sie wieder über die gleiche Stelle zu unserer Linken hinweggeglitten war.
Doch worum kreiste die Scheibe? Einerseits brannte ich darauf, es herauszubekommen, andererseits wollte ich es lieber nicht wissen.
Ich blieb dicht hinter Milo und ging mit ihm im Gleichschritt.
Jeder Schritt dröhnte in den Ohren. Es erschien mir, als müssten wir meilenweit zu hören sein.
Außerdem verursachte jeder Schritt Schmerzen, und die Stille machte das noch schlimmer. Die ganze Welt lag stumm und schweigend da.
Fünfzig Meter noch bis zu dem Felsen. Vierzig. Dreißig. Zwanzig.
Milo blieb stehen. Deutete nach vorne.
Die weiße Scheibe war erneut aufgetaucht, doch nun mit einem Schwanz. Wie ein riesiges weißes Spermium, das zappelnd über den Felsen glitt.
Immer noch kein Geräusch. Wir erreichten den Felsen. Kaltes Gestein, gesäumt von niedrigem, vertrocknetem Gestrüpp und kleineren Felsbrocken.
Milo hielt das Gewehr vor der Brust und schwenkte nach links. Die 9 mm lag schwer in meiner Hand.
Die Scheibe tauchte erneut über uns auf. Weiß und cremig tanzte sie hin und her, verharrte kurz auf einer Stelle, tanzte dann wieder und verschwand.
Plötzlich war da auch ein Geräusch.
Ein tiefes, beständiges Brummen.
Ein Blitz. Ein Sirren. Ein Klicken.
Ein. Aus.
Keine Menschen, die sich abmühten. Keine Stimmen. Nur das Wirken von Maschinen.
Wir schlichen uns unbemerkt am Fuß des Felsens entlang und waren gerade noch zwanzig Meter entfernt, als ich es plötzlich sah:
Eine hohe, zerklüftete Felsformation - eine Ansammlung scharfkantiger Findlinge, die wie Stalagmiten drei bis fünf Meter hoch aus dem Felssockel herausragten, sich dabei gegenseitig überlappten und der eigentlichen Felswand etwa sieben Meter vorgelagert waren.
Eine natürliche Bühne. Ein Studio unter freiem Himmel.
Das Geräusch der Kamera wurde lauter. An den Felsen geschmiegt, krochen wir näher heran. Mit einem Mal neue Gerausche. Eine Stimme. Doch zu leise, um etwas heraushören zu können.
Milo hielt an, deutete nach vorne auf die gegenüberliegende Seite der Felsformation und beschrieb mit dem Arm einen Bogen. Der Wall aus Felsplatten bildete einen lückenlos geschlossenen Halbkreis bis zum anderen Ende. Das bedeutete, dass der einzige Zugang an der nördlichen Seite liegen musste.
Er machte ein weiteres Zeichen, und wir arbeiteten uns, mit den Händen gegen die Felswand gestützt, zentimeterweise vorwärts. Die Wand beschrieb nun einen Bogen, weshalb man so gut wie nichts sehen konnte und jeder
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