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Monster

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Titel: Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Ansicht, dass Laufen Spaß macht.«
    Er versuchte Whitworth anzurufen, bekam aber keine Verbindung. Er ging dreißig Meter zurück, versucht es erneut, wieder ohne Erfolg. Er schaltete das Telefon aus und steckte es zusammen mit den Autoschlüsseln in seine Tasche. Dann steckte er die Taschenlampe ein, nahm sich das Gewehr und gab mir den Revolver.
    »Da geb ich einem Zivilisten meine Pistole.« Er schüttelte den Kopf.
    »Wenigstens nicht irgendeinem Zivilisten«, sagte ich.
    »Noch schlimmer. Okay, das hier muss auch noch weg.« Er zerrte sich den Schlips vom Kragen und warf ihn ins Auto. »Und das.« Seine Jacke segelte hinterher. Gefolgt von meiner.
    Wir machten uns auf den Weg und versuchten den Reifenspuren zu folgen.
    Schuhe mit Ledersohlen waren nicht gerade ideal für ein solches Unterfangen. Als Orientierung dienten uns lediglich die verschwommenen Berggipfel, die ich während meines Besuches am Tage schon einmal gesehen hatte. Die Mondsichel wirkte krank und abgenagt, wie eine Kinderzeichnung, an der schon so oft herumradiert worden war, dass das Papier faserig geworden war. Der fahle Mond stand so hoch und weit weg hinter den Bergen, dass man den Eindruck hatte, er wollte sich ganz aus der Galaxie verabschieden. Das bisschen Licht, das von dort zur Erde herunterträufelte, bescherte keinerlei Erkenntnisse über das, was unterhalb der Berggipfel gelegen war.
    Mit knappen, steifen Bewegungen arbeitete ich mich vorwärts. Ich spürte die Steine unter meinen Schuhsohlen hin und her rollen. Scharfkantige Bruchstücke bohrten sich in das Leder, als wollten sich kleine Parasiten durch die Sohlen fressen. Allmählich wurden die Steine größer und die Schritte schmerzhafter. Es gelang mir, den Schmerz zu verdrängen, doch die Orientierung blieb weiterhin ein Ding der Unmöglichkeit. Unsicher und unbeholfen stolperte ich dahin und wäre ein paar Mal beinahe gestürzt, doch es gelang mir, mich mit den Armen auszubalancieren. Milo, der ein paar Meter vorausging und sich mit dem Gewehr abschleppen musste, hatte es noch schwerer. Ich konnte ihn nicht sehen, aber ich hörte, wie er keuchte. Dann und wann verstummten seine Atemgeräusche, um gleich darauf wieder schneller und heiserer loszupumpen, wie ein Herz, das nach einem kurzen Aussetzer wieder in Schwung zu kommen versucht.
    Wir quälten uns zehn Minuten lang auf unserem Weg dahin, ohne jedoch den Eindruck zu haben, als wären wir unserem Ziel auch nur ein bisschen näher gekommen. Vor uns war kein Licht zu sehen. Es war überhaupt nichts zu sehen außer Felswänden, und ich bekam ernste Zweifel an meiner Vermutung, dass Crimmins zum Tatort zurückgekehrt war.
    Wir hielten dreimal an und riskierten mit abgedeckter Taschenlampe einen Blick auf den Untergrund. Die Reifenspuren gingen weiter, und nun erhoben sich links und rechts riesige Felsbrocken, die tief in den Boden eingesunken waren wie heruntergestürzte Meteoriten. Genau vor uns lagen allerdings keine dieser Brocken. Dies war offensichtlich in der Tat so etwas wie ein Weg.
    Schlurfend wie alte Männer arbeiteten wir uns weiter mit einem elend langsamen Tempo vor, während wir die völlige Orientierungslosigkeit in zornigem Schweigen ertrugen. Schließlich hatte das Mondlicht ein Einsehen, und wir konnten wenigstens die gröbsten Spalten und Verwerfungen im Granitboden vor uns erkennen. Allerdings nur auf eine Distanz von einem halben Meter.
    Ich hielt mir noch einmal die Entfernung zwischen der Ostgrenze von Fairway und den Tehachapis vor Augen. Weniger als drei Kilometer. Vielleicht sogar nur zweieinhalb. Bei Tag ein gemütlicher Spaziergang, doch jetzt war ich schweißgebadet, bekam kaum noch Luft, und meine Achillessehnen waren zum Zerreißen gespannt. Meine Schultern schmerzten von der gebeugten Haltung, in die ich mich zwang, um halbwegs das Gleichgewicht zu halten.
    Wieder blieb Milo stehen und wartete, bis ich neben ihm war. »Kannst du was sehen?«
    »Nicht das Geringste. Tut mir Leid.«
    »Wofür entschuldigst du dich?«
    »Für meine Theorie.«
    »Die ist auch nicht schlechter als alles, was wir sonst noch haben. Was mir Kopfzerbrechen bereitet ist die Frage, was wir anstellen, wenn wir mal dort sind und immer noch nichts finden. Uns gleich wieder auf den Rückweg machen oder die Berge absuchen, für den Fall, dass sie dort ‘ne Leiche liegen gelassen haben.«
    Ich gab keine Antwort.
     
    Wieder tausend Schritte im Babyformat. Mittlerweile waren die Berge etwas weniger als einen Kilometer

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