Monster
mandarinenfarbenes Licht ab, das nur punktuell Orientierung bot, ansonsten steuerten wir permanent auf eine schwarze Wand zu.
Wir kamen ans Ende der Straße. Vor uns nur noch Pfefferbäume, die den Spiegelsee umrahmten. Die Vegetation gedieh hier, bedingt durch den feuchten Untergrund, prächtig. Im fahlen Licht der Mondsichel schimmerte das Laub der Bäume wie graue Seide. Dazwischen lag die Oberfläche des Sees still, schwarz und glänzend wie eine überdimensionale Sonnenbrille.
Milo hielt an. Er sagte mir, ich sollte bleiben, wo ich war, dann zog er seine 9 mm und eine Taschenlampe und stieg aus dem Wagen. Er ging zu den Bäumen, schaute sich um, bog einen Ast zur Seite, hielt erneut Ausschau und verschwand in dem grünen Gewirr. Ich saß im Wagen und rieb geistesabwesend mit dem Daumen über den warmen Holzschaft des Gewehres, das er mir in den Schoß gelegt hatte. Nicht das geringste Geräusch war zu hören. Ein Gefühl wie unter einer Vakuumglocke. Möglich, dass ich es zu einem anderen Zeitpunkt als friedlich empfunden hätte. Im Augenblick kam es mir lediglich tot vor.
Ich saß eine Ewigkeit alleine da - oder zumindest kam es mir so vor, bis Milo zwischen den Bäumen hervorkam und seinen Revolver in das Holster steckte.
»Falls da draußen jemand ist, kann ich ihn jedenfalls nicht sehen. Wenn man erst einmal zwischen den Bäumen durch ist, kann man alles ziemlich gut überblicken. Auf der anderen Seite ist nichts weiter als ein bisschen Schilf und Gestrüpp. Von einem Jeep oder einem anderen Wagen nichts zu sehen. Und filmen tut auch niemand.« Ein grimmiges Lächeln. »Außer, sie drehen unter Wasser - ‘ne Neufassung von Das Monster aus der schwarzen Lagune … Andererseits wäre es genauso gut möglich, dass sie schon hier waren, ihr Ding durchgezogen und das Mädchen in den See geworfen haben. Oder dass sie überhaupt nicht aufgetaucht sind.«
»Kann ich mir nicht vorstellen«, sagte ich. »Ansonsten hätten sie keinen Grund gehabt, Heidi unterwegs an einer Straße umzubringen, die genau nach Fairway führt. Außerdem hat Crimmins diesem Soames Geld gegeben, damit er die Corvette zu ihm nach Hause fährt. Höchstens eine oder zwei Meilen von Hollywood entfernt. Wenn er in der Stadt wäre, hätte er den Jeep selbst nach Hause fahren und die Corvette zu Fuß abholen können. Länger als eine halbe Stunde hätte er dafür auch nicht gebraucht. Weshalb sollte er sich überhaupt mit Soames abgeben, wenn er nicht vorhatte, sich abzusetzen?«
»Vielleicht weil er mit Soames noch weitere Pläne hat? Einen kleinen Probedreh zum Beispiel?«
»Das auch. Morgen früh allerdings. Trotzdem wäre das kein Grund, ihm den Wagen anzuvertrauen.«
»Warum hat er Heidi umgebracht?«
»Weil er keine Verwendung mehr für sie hatte«, sagte ich. »Und weil ihn niemand daran hindern konnte - purer Machtinstinkt.«
Milo kaute auf seiner Lippe herum, starrte mit zusammengekniffenen Augen nach vorne und reduzierte die Geschwindigkeit auf fünfzehn Stundenkilometer. Laut Karte gab es eine Versorgungsstraße, die an der Südseite des White Oak Golfplatzes vorbei zur rückwärtigen Seite der Siedlung führte. Die Straßenlaternen standen mittlerweile so weit auseinander, dass abgesehen von diversen Grauschattierungen die Sicht gleich null war.
Milo verpasste die Straße, und mit einem Mal standen wir vor einem Schild, das den »Ortseingang« von Jersey markierte. In den Trailern brannte nirgendwo Licht. Ich erinnerte mich, dass die Straße, die diesen Teil der Siedlung durchtrennte, frisch asphaltiert gewesen war. Nun lag sie leer, makellos und sanft geschwungen vor uns in der Dunkelheit, dass man den Eindruck hatte, einen Computerentwurf vor sich zu haben. Und wieder das mandarinenfarbene Licht. Tieforange vor schwarzem Hintergrund. Hier war jede Nacht Halloween.
»Hier wohnt dieser Haas?«, fragte Milo.
»In der ersten Straße rechts. Ich kann dir den Trailer zeigen.«
Milo fuhr langsam an den Wohnwagen vorbei.
»Da oben ist der Besucherparkplatz«, sagte ich. »Da steht aber niemand … da ist Charing Cross. Der Trailer von Haas ist der Vierte in der Reihe. Der mit einem betonierten Vorbau. Außerdem müssten ein Buick Skylark und ein Datsun-Truck davor stehen.«
Milo hielt zwei Stellplätze weiter vorne an. In der Einfahrt stand nur der Datsun. Dahinter die Harley von Mike Whitworth.
Kein Licht. Von Whitworth ebenfalls nichts zu sehen. Ich bemerkte die Anspannung in Milos Gesicht. Plötzlich kam Whitworth hinter
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