Monster
schulde ihm was, und deshalb werde ich ihn zu einem Bier einladen.“
„ Ui, zu einem Bier ... wie aufregend“, äffte Sascha.
„ Wir sollten uns wirklich erst mal nicht mehr treffen“, sagte Kai mit Nachdruck.
„ Stell dich nicht wegen jedem Mist direkt so an“, keifte Sascha.
„ Lass ihn doch. Der kriegt sich schon wieder ein“, sagte Lennart. Kai versuchte all das abzuschütteln, während er sich auf den Weg zur Geisterbahn machte. Der Abend war bislang alles andere als gut gelaufen, und mit Sicherheit hatten die beiden sogar recht, wenn sie sagten, dass der Typ aus der Geisterbahn hässlich wie die Nacht war. Aber wen störte das schon, wenn er wenigstens das Herz auf dem rechten Fleck hatte?
~*~
Die Zeiger der Uhr schritten voran. Eine Zeitlang hatten Sascha und Lennart ihn noch beobachtet, aber schließlich waren sie ihrer Wege gezogen. Kai wartete immer noch. Ob Kenny es sich anders überlegt und irgendeinen hinteren Ausgang gewählt hatte, damit er Kai nicht in die Arme lief? Die Geisterbahn hatte inzwischen den Betrieb eingestellt. Die Wagen wurden in Reih und Glied hinter einem Gitter geparkt, damit sie für den nächsten Tag wieder einsatzbereit wären. An den Bierbuden war noch jede Menge los, und der Weg zwischen den Buden war noch gut bevölkert. Kai sah abermals auf die Uhr. Der Zeiger kroch auf Zehn nach Elf. Als eine Seitentür der Geisterbahn aufging, war Kai überrascht, dass gleich drei Leute daraus hervortraten. Im Schein der Lampen erkannte er einen älteren Mann, der einen Putzeimer trug, und zwei jüngere Typen, von denen einer geradezu umwerfend gut aussah. Der andere war etwas kleiner und hatte eine ziemlich spitze Nase und eng zusammenstehende Augen. Er erinnerte Kai ein wenig an eine Ratte und sofort empfand er ein schlechtes Gewissen darüber, denn der Typ trug das Monsterkostüm in der Hand und setzte sich nun die Maske spielerisch auf, als er zu ihm sah. Kai nickte und schickte seinem Retter ein Lächeln. Dieser zog die Maske wieder aus und kam nun mit dem anderen Mann auf ihn zu.
„ Hallo“, sagte Kai locker zur Begrüßung, als der Typ mit dem Rattengesicht ihm die Hand gab. „Hi“, gab dieser mit einem Kichern zurück. Seine Stimme klang heller, aber Kai war klar, dass die Maske ihres dazu beigetragen hatte, dass er die Stimme des Monsters verfälscht gehört hatte. Ein kurzer Moment verging, dann sagte der Mann: „Das war echt der Wahnsinn! Ich dachte schon mein Vater schmeißt, Kenny nach der Aktion raus. Dann hätte ich wahrscheinlich als Ersatz einspringen müssen, und bei aller Liebe zur Schaustellerei, aber ich selbst trage das Monsterkostüm echt ungern! Ich bin schließlich der Künstler in der Firma und kein billiger Jahrmarktclown, wie Kenny.“ Er lachte. Kai lachte auch ... obwohl er kein Wort verstanden hatte.
Erst als der andere Mann ein geknirschtes: „Sehr lustig, Thomas“, von sich gab, begann Kai zu begreifen. Der Typ namens Thomas grinste noch mal gutmütig Kenny an und wandte sich dann zum Gehen, während er sagte: „Ich nähe das Kostüm bis morgen, damit du wieder tadellos die Leute erschrecken kannst.“ Kenny war also gar nicht das Rattengesicht, sondern der gut aussehende Kerl war er!
Mit offenem Mund starrte Kai ihn nun an, während Kenny erklärte: „Als ich diesem Idioten eins verpasst habe, der dich festgehalten hatte, ist die Naht unter dem Arm aufgeplatzt. Thomas näht sie für mich. Er ist der Sohn von meinem Boss und für die Kostüme zuständig. Ich habe ihn gebeten, die Maske auch gleich mitzunehmen und dafür zu sorgen, dass ich darin etwas mehr Luft bekomme. Das neue Ding ist schrecklich. Aber was soll’s? Ist ja nicht mehr für lange, dann ist die Saison ohnehin rum.“
Kai starrte ihn immer noch an. Dunkle Augen, schwarzes Haar, das etwas zersaust wirkte, und dazu hatte Kenny ein Gesicht, das einen ebenso gut aus einem Hochglanzmagazin hätte anblicken können.
„ Warum trägt ein Kerl wie du freiwillig eine Maske?“, rutschte es Kai heraus, dann senkte er beschämt den Blick und murmelte: „Entschuldige, das geht mich gar nichts an. Ich war nur so ... so ...“
„ Verwirrt?“, half Kenny ihm aus. Kai nickte.
„ Ich trage die Maske, weil ich Scheiße gebaut habe. Ich hab die Schule geschmissen und dachte, dass ich alles schon hinbekomme. Ich wollte Musik machen, aber irgendwie hat das nicht so geklappt, wie ich es mir vorgestellt hatte. Und als mir schließlich das Wasser bis zum Hals stand, und ich
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