Monströse Welten 2: Hobbs Land
glaube, es hat sich inzwischen bis nach oben vorgearbeitet.«
Zilia versuchte in seinem Gesicht zu lesen. »Dann war das in den Tempeln also gar nicht der Gott?«
Jep schüttelte den Kopf. »Der Gott hat sich nie in den Tempeln befunden. Dort waren nur Münder, durch die der Gott zu uns sprach. Birribat Shum ist nicht tot. Horgy Endure ist auch nicht tot. Die verdammten Baidee haben zwar einige von uns getötet, aber sie hatten keine Ahnung, wo der Gott sich wirklich befindet.«
Er sagte das mit absoluter Autorität. Eigentlich hätte er gar nichts sagen müssen. Als die Siedler darüber nachdachten, wurde ihnen klar, daß im Grunde nichts zerstört worden war. Selbst die Toten waren ein Teil dessen, was auf Hobbs Land wuchs. Eine Geste. Ein Entgegenkommen.
Sie taten das, was getan werden mußte, und trösteten sich gegenseitig. Niemand erinnerte sich mehr daran, was Sam ihnen auf dem Hochplateau gesagt hatte. Über der Trauer und dem Schmerz hatten sie ganz vergessen, daß die Propheten einen Transmitter nach Ninfadel mitgenommen hatten.
* * *
Zwölf Soldaten des Arms der Prophetin waren tot; ihre Leichen waren nach Thyker überführt worden. Einen Soldaten hatten sie versehentlich auf Hobbs Land zurückgelassen, und Churry hoffte, daß auch er tot war und nichts mehr ausplaudern konnte. So wütend wie jetzt war Churry noch nie gewesen. Unbewußt ärgerte er sich nämlich über sich selbst. Er hatte sich immer zugute gehalten, daß er es noch nie nötig gehabt hatte, die Stimme zu erheben. Er hatte sich immer eingeredet, sein religiöser Eifer würde sich von dem des gemeinen Volkes unterscheiden. Er pöbelte nicht herum. Er bescheinigte sich selbst ein ruhiges und deshalb um so gefährlicheres Naturell. Er sagte sich, daß er nicht zögern würde, im Notfall Gewalt anzuwenden, aber andererseits würde er auch keine unnötige Gewalt anwenden. Den Beweis für diese Selbsteinschätzung hatte er zwar noch nie antreten müssen, aber dennoch glaubte er genauso unerschütterlich daran wie an den Overmind.
Nun krümmte er sich in einem Anfall von Selbsthaß. Er hätte es nie für möglich gehalten, daß er sich einmal einen Narren schelten würde. Woher hätte er denn wissen sollen, daß man Soldaten auch dazu ausbilden mußte, nicht zu töten? Schließlich stand davon kein Wort in der Zentralen Dienstvorschrift. Wie hätte er denn auf die Idee kommen sollen, Waffen mitzunehmen, die keine tödliche Wirkung hatten? So etwas gab es nicht im Arsenal.
Mordy Trust hingegen stand unter Schock. Stumm und mit ausdruckslosem Gesicht saß sie da, während die anderen Soldaten sich um sie herum versammelten und zusammenhangloses Zeug murmelten.
»Was uns betrifft«, knurrte Churry seine verbliebenen hundertsieben Männer und Frauen an, wobei nicht viel fehlte und er hätte die Stimme erhoben, »sind die zwölf Leute, die heute gefallen sind, hier auf Thyker bei einem Manöverunfall umgekommen. Sie sind einfach nicht zurückgekommen.«
Die Soldaten, für die es bis vor kurzem noch undenkbar gewesen war, unbewaffnete Kinder und alte Frauen zu töten, dachten nun an nichts anderes mehr.
»Was ist mit Nonginsaree?« fragte sein Bruder mit kläglicher Stimme. »Er ist nicht zurückgekommen.«
»Wenn die Gemüter sich etwas beruhigt haben, gehen wir zurück und suchen ihn«, sagte Churry. »Aber zuerst muß ein bißchen Gras über die Sache wachsen. Zieht die Kampfanzüge aus und deponiert sie hinter der Kaserne.« Er zeigte auf die drei übereifrigen Schützen, die ihm aufgefallen waren, und befahl: »Ihr drei hebt eine Grube aus. Legt die Toten und die Kampfanzüge in die Grube, schaufelt sie zu, stampft die Erde fest und parkt einen Lkw über der Stelle. Die anderen ziehen Zivilkleidung an und widmen sich wieder dem Tagesgeschäft. Und wenn ihr von dem Manöverunfall hört, heuchelt Überraschung.«
»Sollten wir nicht…?« fragte jemand zögernd. »Sollten wir nicht… eine Wiedergutmachung zahlen? Diese Kinder…«
»Welche Kinder?« fiel Churry dem Fragesteller barsch ins Wort. »Ich weiß nichts von irgendwelchen Kindern.«
Dies kam einer Manipulation ihrer Köpfe beängstigend nahe. Schließlich wußte jeder, daß sie mehrere hundert Kinder, Frauen und Männer umgebracht hatten, von denen nur die wenigsten bewaffnet gewesen waren. In der Regel sagten die Baidee die Wahrheit. Und ganz gewiß stellten sie keine Behauptungen auf, die im Widerspruch zu den offensichtlichen Fakten standen. Sie hatten Menschen und keine
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