Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
Kopf, um den Traum zu verscheuchen, und fügte mit einer leisen Stimme, aus der alle Herablassung, aller Ärger gewichen war, hinzu: »Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das erzähle …«
»Weil es wichtig ist, weil es Sie ganz weich gemacht hat …«
»Vielleicht …«
»Wir alle haben unseren bösen Traum … Der uns mitten in der Nacht überfällt, wenn wir nicht mehr wachsam sind.«
Und dann tat er etwas Unglaubliches. Etwas, womit er nie gerechnet hätte. Später fragte er sich, wie er das hatte tun können. Wie er den Mut dazu aufgebracht hatte. Er setzte sich auf einen Stuhl, während Becca in einem großen Topf die Schalotten andünstete und sie mit einem Holzlöffel umrührte, damit sie sich gleichmäßig golden färbten.
Und erzählte ihr von seinem Albtraum.
»Ich habe heute Nacht auch geträumt, Becca. Außer dass es kein Traum war, denn ich war wach. Es war eher eine Angst, die mir die Eingeweide zusammenpresste …«
»Sie hatten Angst davor, alt und allein zu sein …«
»Und nutzlos. Es war furchtbar. Aber es ist kein Traum, eher eine Feststellung, und diese Feststellung erfüllt mich mit eisigem Schrecken …«
Er schaute zu ihr auf, als könnte sie ihn von diesem Traum heilen.
»Dann waren Sie also das Gespenst …«, sagte Becca, während sie mit dem Holzlöffel umrührte.
»Ein Gespenst in meinem eigenen Leben … Ein lebendes Gespenst. Es ist furchtbar, sich selbst als Gespenst zu sehen …«
Er erschauerte und zog die Schultern hoch.
»Und Dotties ganze Liebe kann Sie nicht heilen?«, fragte Becca, während sie die schmalen orangefarbenen Kürbisstreifen in den Topf gleiten ließ.
»Nein …«
»Das habe ich gewusst … Neben ihr sind Sie ganz blass. Sie liebt Sie, aber von ihrer Liebe kommt nichts bei Ihnen an …«
Sie fügte Salz und Pfeffer hinzu und rührte mit dem großen Holzlöffel um. Zerdrückte die Scheiben, die langsam zerfielen und in orangefarbenen Blasen gegen die Topfwand spritzten.
»Die Liebe verleiht Ihnen keine Farbe.«
»Dabei liebe ich eine Frau … Aber ich rühre mich nicht vom Fleck.«
»Warum nicht?«
»Ich weiß es nicht. Ich fühle mich alt … verbraucht.«
Sie schlug mit dem Löffelrücken auf den Herd und rief: »Sagen Sie das nicht! Sie wissen nicht, was es bedeutet, wirklich alt zu sein.«
»…«
»Dann hat man das Recht, sich nutzlos zu fühlen, weil niemand mehr einen beachtet, weil man keinerlei Bedeutung mehr hat. Niemand wartet darauf, dass Sie abends nach Hause kommen, dass Sie von Ihrem Tag erzählen, dass Sie Ihre Schuhe ausziehen und sich darüber beklagen, dass ihre Füße so eingezwängt waren … Aber vorher gibt es noch so viel zu tun. Sie haben nicht das Recht, sich zu beklagen.«
Sie sah ihn streng an.
»Es liegt nur an Ihnen, ob Sie etwas aus Ihrem Leben machen …«
»Und wie soll ich das anstellen?«, fragte er und schaute, neugierig geworden, zu ihr auf.
»Ich weiß es«, sagte Becca, ohne in ihrem Rühren innezuhalten. »Ich weiß vieles über Sie. Ich beobachte Sie … Ich sehe zu, wie Sie leben.«
»Ohne mir je etwas zu sagen …«
Sie lächelte verschmitzt.
»Es ist nicht gut, sofort mit allem herauszuplatzen. Man muss warten, bis der andere bereit ist, einem zuzuhören, sonst fallen die Worte ins Leere …«
»Werden Sie es mir eines Tages sagen?«
»Das werde ich … Versprochen.«
Sie legte den Löffel auf den Topf und drehte sich zu ihm um.
»Wo lebt die Frau, die Sie lieben?«
»In Paris …«
»Na dann … Fahren Sie nach Paris, und sagen Sie ihr, dass Sie sie lieben …«
»Das weiß sie …«
»Haben Sie es ihr gesagt?«
»Nein. Aber sie weiß es … und außerdem ist …«
Er verstummte, gebremst von der Schwere der Worte, die er aussprechen musste, um es ihr zu erklären. Sie ist die Schwester meiner Frau, Iris … Iris ist gestorben, und Joséphine ist mit ihr gestorben. Ich muss darauf warten, dass sie ins Leben zurückkehrt.
»Ist es kompliziert?«, erriet Becca, die dem Verlauf seiner Gedanken hinter der gerunzelten Stirn folgte.
»Ja …«
»Sie können nicht darüber reden?«
»Ich habe schon sehr viel geredet, finden Sie nicht? In meiner Familie redet man nicht … Niemals. Das gilt als schlechte Erziehung. Man behält die Dinge für sich. Man vergräbt sie tief in seinem Inneren und schließt sie dort ein. Und dann beginnt ein anderer an Ihrer Stelle zu leben, der alles richtig macht, alles so, wie es sich gehört, ohne sich jemals zu beklagen … Ein anderer, der Sie früher
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