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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Topf zur Seite und wartete mit einem scharfen Messer in der Hand darauf, dass der Kürbis weich wurde.
    »Geben Sie acht, dass Sie sich nicht schneiden«, fügte Philippe hastig hinzu.
    »Und warum sollte ich mich schneiden?«, erwiderte Becca, noch immer auf ihren beiden Beinen stehend wie auf einem Berg, und sah ihm herausfordernd in die Augen.
    Sie trug ein graues Kleid mit einem breiten Spitzenkragen und eine weiße Perlenkette.
    Philippe weigerte sich, auf ihre Herausforderung einzugehen.
    »Sie sind sehr elegant«, sagte er lächelnd.
    »Danke«, entgegnete sie und verneigte sich, ohne das gereizte Funkeln in ihrem Blick auszuknipsen.
    Sie musste ihre Hände beschäftigen, sonst würde ihr Herz wieder anfangen zu rasen. Und wenn es erst einmal losraste, riss es sie jedes Mal ins Unglück und zu finsteren Gedanken, bei denen sie am liebsten geweint hätte. Und wenn es etwas gab, was sie strikt ablehnte, dann war es Selbstmitleid. Sie fand sich recht belanglos, verglichen mit all den anderen Menschen auf der Welt, die sehr viel unglücklicher waren als sie selbst. Als sie an diesem Morgen aufgewacht war, hatte sie das kleine Radio eingeschaltet, das sie unter ihrem Kopfkissen aufbewahrte, um sich abzulenken, wenn sie wieder einmal nicht schlafen konnte, und sie hatte gehört, dass eine Milliarde Menschen auf der Welt Hunger litten. Und jedes Jahr kamen hundert Millionen hinzu … Sie hatte durch die weißen Gardinen hindurch in das trübe Morgengrauen geschaut und »Dieses verfluchte Leben!« vor sich hin gemurmelt. »Dieses verfluchte Geld!«
    Sie hatte die Wohnung verlassen, war zu dem kleinen Bioladen an der Ecke gegangen und hatte einen Kürbis gekauft. Weil er rund, pausbackig und orange war, weil er die Welt ernähren würde. Sie würde eine Kürbissuppe für das Abendessen kochen. Sie würde ihre Hände beschäftigen … Auf all die Details der Zubereitung achten, um die Details des Unglücks zu vergessen.
    Letzte Nacht hatte ihre große Liebe sie besucht.
    Sie hatte die Arme ausgestreckt, sie dachte, er komme sie holen, und sie war willens, ihm zu folgen. Die Zukunft hielt nichts mehr für sie bereit, also konnte sie genauso gut gleich gehen. Es wäre wie in diesem Film mit Gene Tierney und Rex Harrison, wenn der Geist des geliebten, längst verstorbenen Mannes am Ende des Films die ergraute, zusammengeschrumpfte Mrs. Muir abholt und sie plötzlich wieder jung aussieht, wenn sie seine Hand nimmt und sie beide ins Licht davongehen … Schön wie ein junges Paar. Manchmal kam ihr toter Geliebter mitten in der Nacht. Weckte sie auf. Er war so, wie sie ihn gekannt hatte, jung, schön, schneidig. Er erinnerte sie daran, dass sie alt und allein war. Sie hatte das Gefühl zu ersticken, sie wollte sich von ihrem Körper befreien und sich in seine Arme stürzen …
    Sie war alt, aber ihre Liebe war lebendig geblieben. Ihre vor langer Zeit entschwundene Liebe … Ihre große Liebe, die sie tanzen, Sprünge vollführen, höher, immer höher hatte hinaufsteigen lassen. Sie sprang so hoch, wenn er sie anschaute … Gemeinsam entwickelten sie wundervolle Choreografien, Sprünge, Entrechats, Fouettés, und das Leben wurde groß und schön, und sie hatte keine Angst davor, einmal alt und allein zu sein.
    Und dann war er fortgegangen.
    Es gab keinen Mann mehr, der sie in die Luft springen ließ. Keinen Mann mehr, der ihr Herz berührte und ein Gefühl darin aufkeimen ließ, eine Verbundenheit, das Bewusstsein, zu jemandem zu gehören. Seitdem hatte sie die schreckliche Gewissheit, ein Nichts zu sein … Als er fortgegangen war, hatte sie der Schuss aus nächster Nähe getroffen. Peng! Sie war gestorben. Niemand hatte es bemerkt, aber sie, sie wusste, dass das Blut langsam aus ihr herausfloss. Es war eine unsichtbare Verletzung, eine Verletzung, der sie nicht ihre ganze Bedeutung beimessen durfte, wenn sie darüber sprach, denn so etwas passierte doch jedem. Also sprach sie nicht darüber.
    Und das Blut war immer weiter aus ihr herausgeflossen.
    Sehr aufrecht, sehr weiß, sehr zierlich stand sie da. Sie war auf der Straße gelandet. In einem Rollstuhl. Alt, unglücklich. Und so banal. Mit einem ganz banalen Allerweltsunglück. Nutzlos. Als müsste man jung sein und Sprünge vollführen können, um zu etwas nütze zu sein, um am Leben teilzuhaben, als müsste man die Taschen voller Pläne haben. Doch man lebt auch noch, wenn man alt ist und keine Sprünge mehr vollführt.
    Sie glich dem Kürbis im Spülbecken. Sie war weich

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