Montana 04 - Vipernbrut
nur um Haaresbreite entronnen war.
Der Eismumienmörder hatte die Verletzungen, die Alvarez und Johnna Phillips ihm mit seinen eigenen Werkzeugen zugefügt hatten, nicht überlebt. Johnna war zur Lokalheldin geworden, ihre Vorgesetzten von der First Union Bank nutzten den Presserummel zur Eigenwerbung und betonten immer wieder, wie stolz sie auf ihre Mitarbeiterin seien, die geholfen habe, ihre Stadt von einem grausamen Serienmörder zu befreien.
Trilby Van Droz hatte überlebt, doch sie hatte ihre Kündigung eingereicht. Der Sheriff hatte sie nicht akzeptiert und Trilby stattdessen beurlaubt, damit sie sich ihre Entscheidung im neuen Jahr noch einmal überlegen konnte. Gabe war zu seinen Eltern nach Helena zurückgekehrt. Sein Anwalt und der Staatsanwalt hatten sich dahin gehend geeinigt, ihn lediglich als Helfershelfer anzuklagen, so dass seine Strafe hoffentlich auf Bewährung ausgesetzt werden würde. Ob das tatsächlich klappte, war noch nicht abzusehen, doch bislang war er auf dem rechten Weg geblieben, und Aggie erwärmte sich langsam für die Vorstellung, dass er Alvarez sehen und »eine Art« Beziehung zu ihr aufbauen dürfe.
Alvarez dachte an ihren letzten Besuch bei ihm im Krankenhaus. Unter Aggies wachsamem Blick hatte er ein paar Sekunden ihre Hand gehalten. »Ich bin froh, dass ich dich kennengelernt habe, Gabe«, hatte sie gesagt. Als er ihre Hand losgelassen hatte, hatte sie einen Kloß im Hals verspürt.
»Ich auch.« Seine Augen glänzten, aber er weinte nicht, doch Aggie hatte sich abwenden müssen. »Ich rufe dich an, wenn ich hier raus bin«, versprach er.
»Tu das.« Sie war so unglaublich dankbar, dass er am Leben war.
Aggie schluchzte leise. Alvarez hatte ihr versichert, dass sie sich nicht in Gabes Leben drängen würde.
Es war ohnehin erstaunlich, wenn nicht gar verblüffend, dass sie sich begegnet waren, doch Gabriel war ein schlauer Junge. Er hatte im Internet nach ihr gesucht, hatte Chatrooms besucht, sich bei allen möglichen Behörden eingehackt und sich auf diesem Wege Zugang zu den Gerichtsunterlagen verschafft.
»Geh weiter zur Schule«, riet sie ihm.
»Das mache ich. Vielleicht werde ich Polizist.«
Wieder ein Schluchzer von Aggie.
»Wähl lieber den geraden Weg«, sagte sie, und als Aggie sich wieder einmal abwandte, hauchte sie ihm einen Kuss auf die Stirn. »Sei brav, Gabe, denn wenn du’s nicht bist, werde ich davon erfahren!«
Er grinste.
Alvarez hatte Gabes Mutter die Hand auf die Schulter gelegt, dann hatte sie sich umgedreht und den Raum verlassen. Dieses Bild jedoch-Gabe grinsend im Bett, die dunklen Augen, die geraden weißen Zähne, das zerraufte Haar - war ihr geblieben und würde für immer bei ihr sein.
Außerdem hatte sie jetzt ja noch eine weitere Verbindung zu ihm: O’Keefe.
Doch nicht alles im sogenannten Eismumienfall war gut ausgegangen.
Bei dem Opfer im Farmhaus der Oestergards handelte es sich tatsächlich um Jons Frau Dorie. Man ging davon aus, dass sie angefangen hatte, ihrem Mann Fragen zu stellen. Vielleicht hatte sie angedeutet, zur Scheune kommen zu wollen, was dazu geführt hatte, dass bei Oestergard auch noch die letzte Sicherung durchgebrannt war.
Das Höhlensystem unter dem Oestergard-Anwesen war zu einer Art Volkslegende geworden, und nachdem die Spurensicherung ihre Arbeit abgeschlossen hatte, stahlen sich Jugendliche dort hinein, als Mutprobe oder für den ultimativen Kick bei Spielen wie Wahrheit oder Pflicht.
Sie humpelte die Treppe hoch; ihr Bein schmerzte leicht. Sie hatte sich eine Zeitlang freigenommen, doch Pescoli flehte sie nahezu an, wieder ins Department zu kommen; offenbar hatte sie es satt, mit Brett Gage zusammenzuarbeiten. Sie hatte zugegeben, dass Santana sie wieder einmal bedrängte, zu ihm zu ziehen, und selbst eine Regan Pescoli hatte einräumen müssen, dass es Zeit war, Nägel mit Köpfen zu machen, vermutlich wegen der nicht enden wollenden Probleme mit ihren Kindern.
Joelle hatte einen Riesenberg Leckereien vorbeigebracht und so dafür gesorgt, dass Alvarez fünf Pfund zugenommen hatte, und O’Keefe war mehr oder weniger bei ihr eingezogen, zumindest vorübergehend, bis sie wieder zur Arbeit gehen konnte.
Als sie jetzt ins Schlafzimmer trat, sah sie Dylan im Bett sitzen, die Kissen in den Rücken gestopft, die Katze neben ihm, der Hund zusammengerollt auf einer Decke auf dem Fußboden. Als Selena ins Zimmer kam, hob Roscoe den Kopf und wedelte mit dem Schwanz.
»Verräter«, sagte sie, tätschelte
Weitere Kostenlose Bücher