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Montauk: Eine Erzählung (German Edition)

Montauk: Eine Erzählung (German Edition)

Titel: Montauk: Eine Erzählung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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Wochen habe ich meine Tochter besucht, die ältere, als Großvater. Es ist an der Zeit gewesen; die Enkelin redet schon. Auch den deutschen Schwiegersohn habe ich zum ersten Mal gesehen. Sie haben sich in Schottland getroffen und damals auf einer Ansichtskarte (ein grüner Hügel) gemeldet, daß sie heiraten. Die Begegnung: nicht leicht, nicht schwierig. Die Tochter, der gleiche Jahrgang wie Lynn, hat während des Gesprächsungebleichte Schafswolle verarbeitet. Vorher haben wir einen Spaziergang gemacht, Vater und Tochter; Gespräch in Mundart. Vor Jahren hat sie vertrauensvoll geschrieben in schwerer Bedrängnis und ich habe ihr geschrieben. Sie hat mich auch besucht mit ihrem früheren Freund, der mir sehr gefallen hat ... Er ist der erste Sohn meiner ersten Braut, die ich nicht geheiratet habe, sie meine erste Tochter; vielleicht haben sie drum nicht geheiratet ... Es gehe ihnen gut, höre ich. Es ist nicht klar geworden, warum man sich jetzt wenig zu sagen hat. Sie hat eine Flasche deutschen Rotwein besorgt; die beiden trinken keinen Wein, und so habe ich es bei einer halben Flasche belassen. Ich bin einen Nachmittag und eine Nacht und einen Vormittag geblieben. Erst in der Bahn nach Hamburg, als ich habe lesen wollen, ist es klar geworden. Ich leugne nicht meine Schuld; sie ist mit langen Briefen, die der erwachsenen Tochter meine damalige Scheidung erklären, nicht zu tilgen. Sie wird gebraucht, unsere Schuld, sie rechtfertigt viel im Leben anderer.
     
    MONTAUK
     
    als sie jetzt auf den Steinen sitzen – es sind Leute da, Ausflügler, sie suchen Muscheln vor der Brandung; drei junge Schwarze mit Transistor, der lauter wird und dann wieder leise, sind vorbei gegangen, ohne sich umzuschauen nach dem Paar.
     
    DIRTY OLD MAN
     
    so kommt er sich eigentlich nicht vor.
     
    HOW DO YOU CALL THOSE BIRDS ?
     
    Er fragt bloß, damit sie jetzt ins Weite schauen (es sind gewöhnliche Möwen) und damit er sich dabei vergißt: ein zu schwerer Mann, dabei beweglich, er trägt ein Western-Hemd nicht in der Meinung, daß es ihn jünger mache, sondern weil es praktisch ist, und was an Haar noch vorhanden ist, wirkt immer ungekämmt, auch wenn kein Meerwind es zaust; kein Herr; das Haar grau bis weiß ... Es fällt ihm ein, wann er zuletzt im Meer geschwommen ist.
     
    SABLES D’OR , Juli 1973:
     
    wir beschließen die Trennung.
    Die Küste, hier, ist steinig; kein Strand: die Brandung mäßig. Sie tost nicht; sie schwappt zwischen den runden Steinen und verkräuselt und hinterläßt Blasen von Schaum. Ein Tümpel mit Schlamm. Es ist nicht der offene Atlantik, den sie gesucht haben, sondern die Bay, auch wenn das Festland nicht zu sehen ist.
     
    WHAT ARE WE GOING TO DO ?
     
    Bedürfnis nach Arbeit.
     
    WAS SAGEN DIE DELPHINE ?
     
    Der Titel gefällt mir, aber dabei ist es dann geblieben. Ich habe ihn neulich gefunden in einem alten Ringheft, das ich ins Gepäck genommen habe wegen Adressen, mit dem Vermerk: Roman einer mäßigen Zuversicht – es kommt zu keiner Handlung; die Hauptperson, der neue Mensch, tritt nicht auf. Die Delphine haben mindestens die Intelligenz der Menschen, doch keine Arme und Hände, deswegen haben sie die Welt nie erobert, sagt Lynn, weil sie keine Arme haben, sondern Flossen, und deswegen zerstören sie die Welt nicht. Zum Beispiel haben die Delphine nie einen Staat gegründet und wirken (das muß man zugeben) eher fröhlich. Lynn spricht mit den Delphinen, sie will kein Kind auf dem Land –
     
    1972 habe ich keine Lynn gekannt.
     
    Er ist noch immer überrascht, daß er diesen ihren Körper kennt. Er hat es nicht erwartet. Wenn Lynn nicht ab und zu ein Zeichen geben würde, daß auch sie sich an die Nacht erinnert, seine Hände würden nicht wagen ihren Kopf zu fassen.
     
    1972 hat mich die Welt beschäftigt.
     
    ALL POWER TO THE PEOPLE
     
    die Mauerschriften von damals sind verwaschen, man hat den Eindruck, daß keine Veränderung mehr erwartet wird. Kommt man aus der Subway ans Tageslicht, so gehen die Leute wie vor zwei Jahren, es geht einfach so weiter: Warten bei Rot, Gehen bei Grün. Niemand weiß, was geschieht. Die Zeitungen tun nur so, als wissen sie’s von Tag zu Tag. WATERGATE , wenn das nicht wäre. Meine Freunde sind jünger, aber sie kennen schon ihre Ohnmacht. Einzig die Frauen hoffen noch auf Veränderung. Der Rest ist Entspannung. Der Rote Platz in Moskau ist unversehrt; am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin ist alles wie bisher, nur der Eintritt ist auf zehn Mark

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