Montauk: Eine Erzählung (German Edition)
beschäftigt mich ganz anderes. Wie bekannt ich bin, erfahre ich eines Tages durch meine Tochter, es verdrießt sie: kaum sagt sie beim Tanz ihren vollen Namen, so ist es mein Name und stört den Plausch. Das kann ich nicht ändern. Übrigens bin ich nicht mit einem Schlag bekannt geworden. Ich weiß nicht, was besser ist: wer eines Morgens erwacht und sieht, daß er bekannt ist, findet es fortan nur selbstverständlich und wundert sich nicht wie der andere von Mal zu Mal; der andere wirkt von Mal zu Mal kokett. Ich erschrecke leicht, wenn jemand, den ich nicht kenne, mich plötzlich anredet und sich als Leser entpuppt. Was macht man? Oft schätzen sie, was ich heute nicht mehr schreiben möchte, und man kommt sich fast wie ein Verräter vor; dann tue ich meistens, als habe ich Eile. Natürlich kommt es auch vor, daß jemand, ein Betrunkener in einer Bar, mich anödet oder es mindestens versucht; er nimmt an, daß ich von mir begeistert sei. In diesem Fall geht es nicht, daß ich sofort zahle und aufstehe; es geht aber in diesem Fall überhaupt nichts, kein Gespräch, kein anderes. Was den Mann so erbittert, ist eigentlich nicht meine Denkweise, sondern der Erfolg; meistens ist es ein Landsmann. Dann wieder vergesse ich es, daß ein Steckbrief besteht. Die meisten, die mich erkennen, bleiben diskret; sie lassen mich mein Bier trinken, ein Rumpelstilz, der sich nicht verrät, und nachher höre ich von Dritten, wo ich vorgestern ein Bier getrunken habe. Ich will nicht übertreiben, es ist verschieden von Gegend zu Gegend; überall wo die Arbeiterschaft wohnt, weiß ich mich sicher, ohne daß es mich gerade froh macht. Wer sind meine Leser? Wenn in Berlin ein Tapezierer fragt: Sind Sie denn der Schriftsteller? so sehe ich, daß mein Ja ihn erfreut. Wieso? Bedürfnis nach Hochachtung; der Mann hat den Namen gelesen und zweifelt nicht, daß es gerechtfertigt ist, wenn jemand einen Namen hat, und begrüßt es, daß ich einen Vorhang aufmachen lasse in Berlin, und macht seine Arbeit besonders gut. Man wird verwöhnt. In der Schlange stehen vor einer Kasse langweilt mich wie jedermann; ich geduldemich wie jedermann; aber unter Aufsicht. Auch daran gewöhnt man sich. Eine andere Folge: wenn es zu einem ersten Gespräch kommt, so reden die Leute nicht ohne weiteres von sich und von ihren Plänen, sondern von meinen Veröffentlichungen, oder wenn sie merken, daß das nicht erwartet wird, gerade das nicht, so beschränken sie sich aufs Zuhören; ich sitze in einer gewissen Isolation, die nicht immer zu durchbrechen ist und gefährlich als Verführung zum Monolog; es wird langweilig, in Gesellschaft zu gehen. Ein Typ, der gelegentlich auftritt, ein Intellektueller auf den ersten Blick: zwei Stunden lang tut er, als seien wir einander nicht vorgestellt worden, und redet auch vor dem Kalten Buffet kein einziges Wort; später kann es sein, daß er, während ich mich in einem Gespräch mit andern ereifere, zuhört aus einem Abstand, der ihn von jeder Stellungsnahme dispensiert; inzwischen habe ich tatsächlich seinen Namen vergessen, und so beginnt unser Kontakt damit, daß ich mich entschuldige; er rückt deswegen nicht näher, solange die andern noch an dem Gespräch teilnehmen; später am Abend werde ich ihn nicht mehr los, wir stehen jetzt in einer Ecke, wo er hartnäckig zeigt, daß Berühmtheit (so nennt er’s) überhaupt keinen Eindruck auf ihn macht. Ein intelligenter Kopf. Was er selber arbeitet, will er lang nicht sagen. Zum Schluß entschuldigt er sich. Wofür? Wir müssen ja nicht einverstanden sein. Wenn ich ihn um seinen Essay bitte, so bezeichnet er diesen Essay, der demnächst erscheinen wird, als überholt, und es wäre ihm lieber, wenn ich nicht lesen würde, was er über mich geschrieben hat. Offenbar nimmt er an, es werde mich nur kränken. Warum soll es mich nicht überzeugen? Erfolg über lange Zeit macht es leicht, gelegentlich nicht eitel zu sein. Das ist die gute Seite. Etwas anderes: ich gehöre nicht zu denen, die eine Legende schützt. Manchmal spüre ich es beim Händedruck: ihr Klatsch, den ich nicht kenne, macht die Leute befangen, denen man vorgestellt wird. In der Regel forsche ich nicht nach, was da geredet worden ist, und wenn es mir zu Ohren kommt, so erfahre ich mehr über die andern als über mich. Neid? Nicht der erste Erfolg und nicht ein zweiter, aber Erfolg auf Dauer ist ein Ärgernis gerade für die Anbeter des Erfolges; sie unterstellen, man habe kein anderes Bedürfnis und Ziel als sie zu
Weitere Kostenlose Bücher