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Montauk: Eine Erzählung (German Edition)

Montauk: Eine Erzählung (German Edition)

Titel: Montauk: Eine Erzählung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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erhöht. Keine Rüstung aus der Absicht, Krieg zu führen, hat jemals so viel gekostet wie die wachsende Rüstung zur Vermeidung eines Krieges, den unsere Großmächte sich nicht mehr leisten können; ihr Friedenswille bis zum Bankrott steht außer Zweifel. Reisen? Es steht nicht mehr dafür; überall die gleiche mäßige Zuversicht. Kein Chaos. Es gibt noch alles, sonst könnte das Fernsehen es nicht zeigen: Staatsmänner, die aus dem Flugzeug steigen und winken, Tanks in der Wüste, die Schweizergarde des Papstes, ein Staatsmann stirbt, ein andrer tritt zurück, es wird weiter regiert. Das Öl der Scheiche und der Konzerne gilt als befristeter Trost, die Wissenschaft sucht andere Quellen. Im übrigen geschieht nichts, was nicht schon geschehen ist. Umweltschutz als die letzte Aufgabe der Menschheit –
     
    8. 4. NEW YORK
    17. 4. TORONTO
    18. 4. MONTREAL
    19. 4. BOSTON
    22. 4. CINCINNATI
    23. 4. CHICAGO
    25. 4. WASHINGTON
     
    Ich spiele meine Rolle. Nur im Flugzeug und im Hotel, wo die Veranstalter mich unterbringen, bin ich eine Weile allein und brauche nichts zu glauben, nehme Dusche oder Bad, dann stehe ich am Fenster, Blick auf eine andere Stadt. Ein wenig Lampenfieber jedesmal. Beim Lesen vergesse ich Wort für Wort, was ich lese. Nachher ein kaltes Buffet; ich antworte auf dieselben Fragen nicht immer dasselbe. So überzeugend finde ich keine meiner Antworten. Ich blicke einer Dame, während sie spricht, auf ihre nahenguten Zähne, bekomme ein Glas in die Hand und schwitze. Das ist nicht mein Beruf, denke ich, aber da stehe ich –
     
    HOW DO YOU FEEL ABOUT RENOWN ?
     
    Als Lynn einmal die Frage stellt – das ist in ihrer Kitchenette, während sie zum ersten Mal für den Fremden kocht – kennt er diese Vokabel nicht. Er hat den kleinen Langenscheidt nicht zur Hand; Lynn umschreibt, was diese Vokabel heißt. Als er die Frage begriffen hat, ist er bereit, die Dose zu öffnen, sofern es einen Büchsenöffner gibt, Lynn sucht; Tohuwabohu in den Schubladen, aber der Büchsenöffner wird gefunden; nur ihre Frage ist verloren gegangen, und sie reden über Kalorien ... Ich wollte berühmt werden: als Torwart bei Länderspielen. Dann wechselte nicht nur das Interesse, sondern das Interesse am Tun nahm überhand. Als Uwe Johnson bei einem nächtlichen Bier in Spoleto (1962) rundheraus fragt: Herr Frisch, was machen Sie mit dem Ruhm? bleibe ich jede Antwort schuldig. Will er mich auf Größenwahn testen? Natürlich freut es mich, daß meine Stücke aufgeführt werden, daß meine Bücher mehr und mehr gelesen werden. Die Folge davon, nämlich daß ich ein bekannter Schriftsteller geworden bin, entgeht mir nicht. In einem Wald bei Zürich geht ein Paar an uns vorbei, ich merke, daß sie plötzlich ihr Gespräch unterbrechen; nach zwanzig Schritten blickt sie zurück, dann er. In der öffentlichen Sauna ist es lästiger; der Nackte, der mich vor der Dusche endlich anredet: SIND SIE NICHT HERR FRITSCH ? ist offenbar kein Leser, weiß aber, daß ich eine bekannte Persönlichkeit bin, denn das Fernsehen hat gezeigt, wo und wie ich wohne. Einen Kugelschreiber, um meinen Namen richtig zu schreiben, haben wir im Augenblick beide nicht, nackt wie wir sind. Manchmal ist es vorteilhaft: ein deutscher Zöllner, nachdem er meinen Paß gesehen hat, möchte gar nicht in meine Koffer schauen, sondern behilflich sein; er kennt nicht bloß den Namen, sondern erinnert sich wohl an ein Stück, das ihm gefallen habe: DER BESUCH DER ALTEN DAME . Dasselbe widerfährt mir auch ohne Verwechslung, neulich in London zum Beispiel: SIR, IT IS A GREAT HONOR FOR ME , sagt ein junger Paßprüfer und nimmt sich trotz des Andranges noch die Zeit, drei englische Titel zu nennen und wissen zu lassen, was ihm am besten gefällt. Das hat mich gefreut; im Augenblick habe ich es brauchen können. Wenn ich in einem Restaurant eine Dame begrüße und einen Haken suche für den Mantel der Dame, sodenke ich natürlich nicht daran, daß ich beobachtet werde; sie sagt: Gehen wir anderswohin, hier hört man dir zu! Lange Zeit brauche ich mich nicht zu verstellen, sondern ich bin wirklich taub, wenn nebenan mein Name geflüstert wird. Natürlich weiß ich, daß ich Leser habe seit einigen Jahren, und ich habe sie auch schon in Sälen gesehen; ich rechne nicht damit, daß sie im gleichen Bus fahren. Ich empfinde mich nicht als öffentliche Person, wenn ich auf einem Bahnsteig warte, und brauche mich nicht zu bemühen, besonders bescheiden zu erscheinen; es

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