Montgomery & Stapleton 04 - Der Experte
die Problematik gründlich durch den Kopf gehen, doch ihm fiel nichts Besseres ein. Vermutlich war es den Kläranlagen-Betreibern ziemlich egal, ob sich in dem Schmutzwasserzufluß Botulinusbakterien befanden. Sie interessierten sich sicherlich einzig und allein für den Wasserabfluß nach der Klärung.
Zuversichtlich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, holte er sein im Labor deponiertes Klempnerwerkzeug hervor und machte sich an die Arbeit. Da er die Fermenter zum Spülen seiner Materialien von Anfang an an einen Abfluß angeschlossen hatte, mußte er lediglich ein paar Ventile lösen.
Diese öffnete er nun und beobachtete, wie der Inhalt der Fermentationsanlage langsam im Abfluß verschwand. Aus einem oben auf der Anlage angebrachten Überdruckventil gluckste es.
Als der Fermenter leer war, spülte Yuri ihn aus. Dann füllte er die Anlage mit neuen Nährböden und besäte sie mit frischen aus seiner ursprünglichen Kultur angezüchteten Anthraxerregern, die er aus einer Bodenprobe aus Oklahoma isoliert hatte.
Nach vollbrachter Tat klopfte er auf den Fermenter und flehte ihn an, ihn nicht im Stich zu lassen. Dann wandte er sich noch einmal der Feinmahlanlage zu und sah nach, wie lange der Durchlauf noch brauchte. Sobald dieser beendet war und er das Pulver in den entsprechenden Behälter verfrachtet hatte, wollte er nach oben gehen und endlich ein Nickerchen halten. Er mußte sich dringend eine halbe Stunde aufs Ohr legen.
11. KAPITEL
Dienstag, 19. Oktober, 13.00 Uhr
Jack schleuderte das Fachbuch über Infektionskrankheiten beiseite, das er sich in der Bibliothek ausgeliehen hatte, und fluchte laut. Der Fall Jason Papparis wurmte ihn immer noch, deshalb wollte er unbedingt mehr über Anthrax erfahren. Leider konnte er sich nur schwer konzentrieren. Er machte mit seinem Stuhl eine schwungvolle Drehung und starrte auf Chets leeren Platz. Wo mochte sein Kollege bloß sein? Er brannte regelrecht darauf, ihm von seinem jüngsten Erlebnis mit Laurie zu berichten, das seine Vorurteile gegenüber Frauen wieder einmal voll und ganz bestätigte: Sie waren einfach unmöglich.
In der Nacht quälte ihn schrecklich der Gedanke, daß er Laurie enttäuscht hatte. Warum hatte er nicht etwas positiver auf ihren neuen Freund reagieren können? Natürlich war er eifersüchtig auf den Mann und mochte ihn schon allein deshalb nicht sonderlich; aber unabhängig von seiner Eifersucht war da noch etwas, das ihm an Paul Sutherland mißfiel. Wie er schon Lou gegenüber geäußert hatte, stieß ihn die übertrieben galante Tour des Mannes extrem ab. Laurie eben mal für einen Wochenendtrip nach Paris einzuladen roch für seinen Geschmack nach Bestechung. Wie die Erfahrung lehrte, entpuppten sich solche Männer unweigerlich als unverbesserliche Machos, sobald die Beziehung einmal gefestigt war und die Frau sich emotional gebunden hatte.
Gegen vier Uhr morgens hatte er beschlossen, klein beizugeben. Auch wenn es ihm schwerfiel, wollte er über seinen Schatten springen und sich bei Laurie entschuldigen. Außerdem nahm er sich vor, Paul bei ihrem nächsten Wiedersehen zu beglückwünschen. Was er konkret sagen würde, ließe er sich dann spontan einfallen. Sich zu diesem Entschluß durchzuringen hatte ihn die halbe Nacht gekostet. Den Ausschlag gab schließlich seine Erkenntnis, daß ihm die Freundschaft mit Laurie viel bedeutete.
Doch die Dinge entwickelten sich anders als vorgesehen. Als er seinen so mühsam gefaßten Beschluß in die Tat umsetzte, akzeptierte Laurie seine Entschuldigung nur äußerst wortkarg und marschierte einfach davon. Anstatt ihn mit ein paar anerkennenden Worten aufzumuntern, bemühte sie sich den ganzen Morgen, ihm aus dem Weg zu gehen. Wie er sich auch verhielt – es schien in jedem Fall falsch zu sein. Erst war sie sauer, weil er nichts Schmeichelhaftes über Paul gesagt hatte, und jetzt schien sie verstimmt über seine positiven Äußerungen. Er schüttelte den Kopf. Wie konnte man es dieser Dame bloß recht machen?
Jack drehte sich mit seinem Stuhl wieder seinem Schreibtisch zu und griff zum Telefonhörer. Wenn er sich schon nicht auf seine Fachlektüre konzentrieren konnte, sollte er wenigstens ein paar Telefonate erledigen. Während der vergangenen Stunde hatte er ein halbes Dutzend New Yorker Krankenhäuser angerufen und mit den jeweiligen Fachärzten für Infektionskrankheiten beziehungsweise, falls das Krankenhaus nicht über einen solchen Spezialisten verfügte, mit den Leitern der
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